Serielle Sanierung - kann sie die Sanierungsquote erhöhen?

Shownotes

Uwe Bigalke ist bei der Deutschen Energieagentur als Teamleiter zuständig
für das Energiesprong-Team. Es unterstützt und begleitet die Entwicklung serieller Sanierungslösungen und bietet Netzwerk- und Beratungsleistungen rund ums Serielle Sanieren im Auftrag des Bundesministeriums für Wirtschaft und Klimaschutz an. Pia Grund-Ludwig, Chefredakteurin des Gebäude-Energieberater hat sich mit ihm darüber unterhalten, welche Erfahrungen es bislang mit serieller Sanierung in Deutschland gibt.

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00:00:17: Sprecher: Gebäudewende – Ein Podcast des Gebäude-Energieberater im Gentner Verlag. Hintergrund und Meinung rund um die Wärmewende im Gebäudebereich. Wir sprechen mit Fachleuten über Quartiers- und Gebäudekonzepte, die Neubauten und Gebäudebestand tauglich machen für den Klimawandel. Und es geht um Ideen, Lösungen, Produkte und Forschungsansätze für klimafreundliches Wohnen. Uwe Bigalke ist bei der Deutschen Energie Agentur als Teamleiter zuständig für das Energiesprong-Team. Es unterstützt und begleitet die Entwicklung serieller Sanierungslösungen und bietet Netzwerk- und Beratungsleistungen rund ums serielle Sanieren im Auftrag des Bundesministeriums für Wirtschaft und Klimaschutz an. Pia Grund-Ludwig, Chefredakteurin des Gebäude-Energieberater, hat sich mit ihm darüber unterhalten, welche Erfahrungen es bislang mit serieller Sanierung in Deutschland gibt.

00:01:07: Pia Grund-Ludwig: Morgen, Herr Bigalke, grüße Sie.

00:01:09: Uwe Bigalke: Guten Morgen.

00:01:10: Grund-Ludwig: Herr Bigalke. Unser Thema heute im Podcast Gebäudewende ist das Thema serielle Sanierung. Was sind denn die Besonderheiten bei serieller Sanierung?

00:01:20: Bigalke: Ja, die Besonderheit ist, dass wir ganz anders arbeiten als normalerweise bei der Sanierung. Das heißt, wir haben einen Baukasten, der dazu führt, dass Sanieren einfach, schnell, bezahlbar und gut wird. Das heißt, dadurch, dass mit vorgefertigten Elementen gearbeitet wird, wird Sanierung jetzt nicht mehr als Einzelprojekt jedes Mal wieder anders betrachtet und anders durchgeführt, sondern als ganzheitliche Sanierung betrachtet, die nach einem immer gleichen Prozess abläuft und dadurch einfach sehr, sehr viel Potenzial zur Verbesserung in jeglicher Hinsicht nutzen kann.

00:01:57: Grund-Ludwig: Sie sagen, das funktioniert für die wirkliche Serialität, also man kann es reproduzieren, aber jedes Gebäude ist anders. Was ist dann die Voraussetzung dafür, dass es funktioniert?

00:02:08: Bigalke: Ja, Die Voraussetzung ist aktuell, dass wir erst mal relativ einfache Gebäude haben, mit glatten Fassaden, nicht mehr als vier Geschosse, am besten so 50er, 60er, 70er Jahre Häuser, Mehrfamilienhäuser, die relativ einfach von der Fassade her zu sanieren sind und vom Dach her. Das ist im Moment die Voraussetzung, damit wir mit den Unternehmen solche Baukästen entwickeln können, sodass die Ansätze, die jetzt ganz neu entwickelt werden können, nicht gleich auf die allerschwierigsten Gebäude treffen. Das ist im Moment die die Startvoraussetzung. Aber mit fortschreitender Entwicklung entwickeln die Unternehmen quasi immer neue Module in ihren Baukästen, sodass vielleicht auch Dachgauben mitgeliefert werden können. Balkone sind schon jetzt oft dabei, sodass vielleicht auch mal kleinere Vorsprünge kein Problem mehr darstellen oder auch ein feuchter Keller gleich mit gemacht wird.

00:03:00: Grund-Ludwig: Sie haben das Thema Serienfertigung angesprochen. Wie sind denn da bisher die Erfahrungen in Bezug auf die Kostensenkung? Wird es dann auch billiger?

00:03:08: Bigalke: Ja, erst mal noch kurz zu Ihrer Frage vorher. Sie fragten, jedes Gebäudes anders. Die Gebäude werden natürlich in 3D erfasst, also mit einem Laserscan beispielsweise aufgenommen sodass die Bauteile, die dann als Fassadenelemente mit Fenstern, als Dachelemente, vielleicht schon mit PV gefertigt werden, oder eben auch die Energiemodule, sodass die passgenau für die Gebäude gefertigt werden. Das, ich habe gerade gesagt, das wird gerade entwickelt. Das heißt, die Unternehmen in Deutschland haben jetzt teilweise, das sind 5, 6, 7 Unternehmen, die am ersten Projekt dran sind, ein erstes Projekt fertiggestellt haben. Manche sind schon am zweiten Projekt dran. Und da kann man jetzt noch keine riesen Kostenentwicklung erwarten, weil schlichtweg an diesen ersten, ich würde sagen 5 bis 10 Projekten überhaupt erst mal dieser Baukasten erstellt, erst mal auf 90, 95 % gebracht wird und dann ist man an der Stelle, wo man wirklich auch Punkt für Punkt an den größten Kostentreibern arbeiten kann und Kosten runter bekommen kann. Nichtsdestotrotz gibt es einzelne Unternehmen, die auch schon Kostensenkungen in Aussicht stellen. Aber wir sehen eigentlich, was da möglich ist so richtig im Ausland, beispielsweise in den Niederlanden, wo einfach schon rund 5000 Wohneinheiten saniert wurden. Da sehen wir gegenüber den ersten Pilotprojekten, die sehr, sehr teuer sind und dann deutliche Kostensenkungen in Größenordnungen von 30 bis 50 %.

00:04:37: Grund-Ludwig: Wie sind denn die Erfahrungen in Deutschland bisher? Was würden Sie denn sagen? Funktioniert schon ganz gut. Und wo muss man noch nachbessern?

00:04:44: Bigalke: Ja, ich hatte ja gerade gesagt einfach, schnell, bezahlbar, gut ist das Ziel, was wir auch als Grundlage dafür sehen, dass solche Sanierungslösungen skalierbar werden und wir damit auch die Sanierungsrate deutlich erhöhen können. Wenn ich das so durchgehe, einfach, naja, die ersten Projekte waren noch nicht schrecklich einfach, weil einfach noch so viel zu entwickeln war und durchaus auch Dinge schiefgegangen sind.

00:05:05: Grund-Ludwig: Was denn?

00:05:06: Bigalke: Oh, das sind viele Kleinigkeiten auf der Baustelle, dass die Abläufe noch nicht so richtig gut funktioniert haben. Es gab sicherlich noch Schwierigkeiten bei der Befestigungstechnik, beispielsweise, dass da viel, viel mehr Anker oder entsprechende Haken gesetzt werden mussten als vielleicht eigentlich statisch nötig. Also das heißt, es passiert ganz viel technische Entwicklung bei den ersten Projekten, aber eben nicht nur technische Entwicklung, sondern auch Prozessentwicklung, sodass unterm Strich Mieterinnen und Mieter auch zufrieden sind. Das sind dann oft so Kleinigkeiten, dass es eine Zeit lang keinen Trockenraum gibt, weil der schon für die Wärmepumpe belegt ist. Oder dass es vielleicht eine Zeit lang keine Außenbeleuchtung gab. Solche Dinge kommen dann zutage. Alles viele Dinge, die man aber, wenn man das einmal gesehen hat, das Problem bei einem zweiten, dritten, vierten Projekt auch leicht abstellen kann. Insofern wurde da sehr viel gelernt. Einfach, hatte ich gesagt, waren viele Projekte noch nicht. Aber wir merken bei den zweiten und dritten Projekten der Bauunternehmen, dass da schon im Ablauf mit den Wohnungsunternehmen viel, viel besser klappt. Schnell waren die allerersten Projekte auch noch nicht, weil eben so viel zu lernen ist, aber auch da sehen wir schon bei den Unternehmen, die zweite Projekte machen. Oder wir haben ein Unternehmen, was schon in Österreich viele Projekte gemacht hat, dass die dann teilweise also vier Mehrfamilienhäuser im Großen und Ganzen in vier bis fünf Monaten komplett abgewickelt haben und komplett fertiggestellt haben, da ist auch schon vieles deutlich schneller als bei einer Standardsanierung wäre. Bezahlbar, ich habe gerade gesagt, die Kosten sind bei Piloten genauso wie wenn man Pilot im Autobau entwickelt sind noch sehr, sehr hoch. Aber auch da gibt es schon Aussichten, dass die Kosten deutlich sinken und gut, ich würde sagen gut hat am besten geklappt. Also die Projekte, die jetzt erstellt wurden, die sollen Net Zero Gebäude sein, das heißt null Energie für Raumwärme, Warmwasser und den Haushaltsstrom. Und die ersten Messungen zeigen, dass das auch sehr gut geklappt hat, da die Ziele sogar übererfüllt wurden.

00:07:06: Grund-Ludwig: Sie haben sie jetzt einfach, billig, schnell angesprochen. Einfach, kostengünstig, schnell. Was sind denn da so die Zielgrößen, wenn man einmal aus der Pilotphase raus ist?

00:07:16: Bigalke: Ja, also die Zielgrößen in Bezug auf einfach würde ich so sehen, dass man sich eine Gebäudesanierung optimalerweise im Internet zusammenklicken kann über Konfiguratoren. Bei Mehrfamilienhäusern ist das sicherlich noch mal ein kleines bisschen komplizierter, aber wir wollen schon, dass nach einem 3D-Scan im Prinzip sehr schnell dann auch mit einer Computer unterstützten Planung sehr schnell ein sehr präzises Angebot vorliegt und das nicht mehrere Monate dauert. Wir wollen, dass Unternehmen sehr einfach aus per Drag and Drop oder Dropdown-Menü Option auswählen können für Fassade für bestimmte Konfigurationen. Das wäre da die Zielgröße. Schnell im Bereich der Mehrfamilienhäuser würde ich sehen, dass wir da bei jetzt sagen wir mal so einem kleinen Mehrfamilienhaus mit 20 Wohneinheiten, dass man es durchaus in zwei Monaten vielleicht abgewickelt kriegt, mit möglichst nur einem Tag Belastungen für Mieterinnen und Mieter. Nämlich an dem Tag, an dem die Fenster rausgenommen werden müssen und vielleicht noch Kleinigkeiten an Heizung oder Lüftung gemacht werden müssen. Bezahlbar. Das Ziel bei der Bezahlbarkeit war bisher eine Warmmietneutralität im Mietwohnungsbereich zu erreichen. Aber bei den aktuell horrenden Heizkosten ist inzwischen unser Ziel, dass die Warmmiete durch die Sanierung deutlich gesenkt werden kann, sodass wir ungefähr wieder auf dem Niveau sind, wo vielleicht vor zwei Jahren an Warmmiete waren. Sprich, die eingesparten Heizkosten sollen zusammen mit anderen Bereichen wie Instandhaltungsbudget etc. sollen es Wohnungsunternehmen ermöglichen, die Sanierung zu finanzieren. Ja und bei gut ist unser Ziel Level der Net Zero Level. Das ist im Prinzip Effizienz aus 55 plus vielleicht sogar plus, alsodass wir wirklich einen klimaneutralen Gebäudebestand damit erreichen können.

00:08:58: Grund-Ludwig: Heißt gut, bezieht sich nur auf die Effizienz, nicht auf die Architektur?

00:09:02: Bigalke: Nein, das bezieht sich durchaus auf alles. Architektur kann ich auch bei solchen Ansätzen sehr, sehr gut gestalten und auch immer wieder weiter verbessern. Auch das ist natürlich möglich. Und gut bezieht sich aber auch auf Langlebigkeit. Und wir möchten das schrittweise auch dann erweitern auf Nachhaltigkeit sodass eben das, was da eingebaut wird, auch möglicherweise 30 Jahre hält, möglicherweise sogar nur eine Funktionsgarantie erhält, dass aber schrittweise das Ganze dann auch nachhaltig zirkulär gestaltet wird, sodass die letzten Prozent, die dann an grauer Energie auch noch benötigt werden, dass wir auch dafür klimaneutrale Lösungen schaffen.

00:09:39: Grund-Ludwig: Sie haben ganz am Anfang gesagt, das Verfahren würde sich eignen für Gebäude mit einfacher Kubatur im Moment. Wie sind denn da die Perspektiven in Richtung komplexere Kubaturen und auch in Richtung Einfamilienhäuser?

00:09:54: Bigalke: Genau. Also das sind eigentlich die nächsten Entwicklungsschritte. Einerseits, dass man im Mehrfamilienhaus-Bereich mit dem wir angefangen haben, weil da einfach skalierbare Bestände sind, mit denen wir auf auf Massen kommen können, dass wir in dem Bereich neue Module schaffen, so wie ich das gerade sagte, vielleicht noch Aufstockung mit reinbekommen. Dass wir dann aber auch die Gebäudetypologie erweitern. Einfamilienhäuser halte ich für einen sehr, sehr interessanten Markt, weil das auch für viele Komponentenhersteller, wie wir sie nennen, also beispielsweise die die Heizungshersteller, das Butter- und Brotgeschäft ist, dass der Bereich ist, wo man große Mengen absetzt und wo man auch bereit ist, in Entwicklung, Forschung und Entwicklung zu investieren und auch die Möglichkeiten finanziell hat. Deswegen Einfamilienhäuser steht bei uns voraussichtlich nächstes Jahr auf der Tagesordnung, auch weil die durch die neue Förderung, die im nächsten Jahr kommen soll, als top up auf die BEG, auf die KfW Förderung. Da werden auch Einfamilienhäuser mit gefördert. Wir haben dann aber auch den Entwicklungsschritt nicht Wohngebäude, sprich einfache Büro-, Verwaltungsgebäude, Schulen. Das sind da die die nächsten Gebäudetypen, die wir gut für machbar halten und mit denen wir uns dann Schritt für Schritt in Richtung mehr Komplexität wagen wollen.

00:11:09: Grund-Ludwig: Ist da auch nächstes Jahr schon was zu erwarten. Gerade bei Schulen ist der Sanierungsbedarf ja groß, gerade bei den Gebäuden aus den 60er, 70er Jahren?

00:11:18: Bigalke: Ja, ich kann noch nicht garantieren, das nächste Jahr die erste Schule in Deutschland saniert wird. Wir sehen in Frankreich bereits erste Schulen, wollen uns aber daran wagen. Und ich glaube, dass wir auf jeden Fall ein erstes, vielleicht Bürogebäude oder auch ein Unterkunftsgebäude im Bereich der Bundespolizei sehen können. Denn in dem Bereich sind wir auch gemeinsam mit der Bundesanstalt für Immobilienaufgaben unterwegs.

00:11:41: Grund-Ludwig: Ein Punkt beim seriellen Sanieren, speziell in den Energiesprongprojekten, die Sie betreuen, ist ja auch, dass die Wohnungsunternehmen voneinander lernen sollen. Das ist ja auch ein relativ ungewöhnlicher Ansatz, dass man sich da faktisch in die Karten gucken lässt. Funktioniert es denn?

00:11:57: Bigalke: Also unter Wohnungsunternehmen würde ich sagen noch ziemlich gut, weil die ja sich oft gar nicht so direkt als Konkurrenten sehen. Wenn ein Wohnungsunternehmen in Bochum Gebäude hat, ein anderes Wohnungsunternehmen vielleicht in Köln, da steht man nicht in Konkurrenz, da ist man eher ich würde man ja sagen, Leidensgenossin, Leidensgenosse bei all den Herausforderungen, die da sind. Insofern funktioniert das da sehr gut, dass Erfahrungen mit den ersten Projekten, dass die auch offen ausgetauscht werden. Bei den Bauunternehmen ist das natürlich so, dass da Technikvorsprung durchaus auch als Tafelsilber gesehen wird, die Entwicklung, die man selber mühsam gemacht hat, auch finanziert wird, dann nicht so freigiebig geteilt werden.

00:12:41: Grund-Ludwig: Können Sie ein bisschen beschreiben, wie denn dieser Austausch innerhalb der Bauunternehmen im Moment funktioniert, innerhalb von Energiesprong?

00:12:49: Bigalke: Also wir sehen uns innerhalb von Netzwerkveranstaltungen und das nennen wir Net Zero Now. Da bringen wir regelmäßig Bau- und Wohnungsunternehmen zusammen. Dann berichten beispielsweise die Wohnungsunternehmen über die Erfahrungen mit den Projekten. Und das sind dann eben nicht nur technische Erfahrungen, sondern das hat dann ganz viel mit Prozessablauf zu tun. Also wie man es hinbekommt, dass unterm Strich da eine gute Erfahrung fürs Wohnungsunternehmen da ist, aber eben auch für deren Kunden, Kundinnen, sprich die Mieterinnen und Mieter. Und wie gesagt, wenn die Bauunternehmen sich da manchmal nicht so ganz tief in die Karten schauen lassen, die Wohnungsunternehmen, die geben da schon sehr viele Hinweise, auch beispielsweise, welche Technikansätze sie für für zielführend halten und welche möglicherweise nicht.

00:13:37: Grund-Ludwig: Wie sieht es da im Moment aus bei den Technikansätzen, bei Fassade und Anlagentechnik? Gibt es da Dinge, die komplett neu entwickelt werden auch?

00:13:46: Bigalke: Ja, durchaus. Bei den Fassaden sprechen wir im Moment größtenteils über Holzrahmen-Bau. Das kennt man eigentlich aus dem Neubau. Wir merken aber, dass da durchaus Dinge für die Sanierung angepasst werden müssen, denn wir brauchen ja keine tragenden Elemente, sondern wir brauchen ja eigentlich nur eine neue Hülle, die kann viel leichter sein, Gewichtseinsparung ist da durchaus statisch wichtig. Wir sehen aber auch Entwicklungen in der Fassadentechnik, beispielsweise in Richtung tragender Dämmstoffe. Das heißt, es gibt Unternehmen, die tragendes Polystyrol haben, wo dann entsprechend die Fenster schon reingesetzt werden. Dann braucht man keinen Holzrahmen mehr, das Ganze ist sehr kostengünstig zu produzieren, Da dann sicher die Herausforderung, die aber auch schaffbar scheint, dass so was brandschutztechnisch funktioniert. Da wurden schon sehr vielversprechende Tests gemacht, aber dass man auch da wieder die Nachhaltigkeit im Blick hat. Polystyrol ist nicht unbedingt das nachhaltigste Material. Und da gehen die Entwicklung Richtung biobasiertes Polystyrol beispielsweise aus landwirtschaftlichen Abfallstoffen.

00:14:50: Grund-Ludwig: Wie muss man sich das konkret vorstellen? Ich bekomme dann faktisch eine Polystyrol-Dämmung schon mit eingebautem Fenstersturz oder?

00:14:59: Bigalke: Schon mit komplett eingebauten Fenstern. Das heißt, das ist ein hoch dichtes Material. Trotzdem mit sehr gutem Dämmwert, bei dem quasi in so einer schreibt das mal ungefähr sechs mal 3 Meter, so ein sechs mal 3 Meter Fassadenpanel, schon das Fenster komplett mit Fensterbank, mit Rolladenkasten, mit elektronischer Steuerung für die Rollläden, was auch immer man haben möchte, möglicherweise schon mit Lüftungsanlage komplett eingebaut, im Werk erstellt wird und dann als sehr leichtes Element eben nur noch an die Fassade gehängt wird, da auch nicht die die Riesenkräfte verursacht, also nicht die riesigen Befestigung benötigt. Die schaffen es dann teilweise ja zehn 15 solcher Elemente pro Tag aufzuhängen, sodass man damit richtig Fläche schafft und da innerhalb von wenigen Tagen im Prinzip ein Mehrfamilienhaus von der Fassadenfläche her sanieren kann, genauso von der Dachfläche her. Das sind komplett fertige Elemente, schon mit PV drin.

00:15:56: Grund-Ludwig: Sie sprechen beim Dach immer nur von Photovoltaik. Spielt da Solarthermie keine Rolle mehr?

00:16:01: Bigalke: Wir suchen ja Lösungen, die plug and play sind im Prinzop, das heißt, die sehr einfach abschließbar sind. Und da hat PV auf jeden Fall die Nase vorn. Wir haben noch keine Solarthermie-Lösung gesehen, weil das einfach anlagentechnisch erheblich komplizierter ist. Und so wie ich sagte, wir suchen im Moment, haben auch durchaus einfache Ansätze, die dazu führen können, dass man einen plug and play-Baukasten bekommt und dass da sehe ich PV auf jeden Fall vorne. Ja.

00:16:32: Grund-Ludwig: Sie haben jetzt bisschen berichtet über die neuen Technologien oder neuen Ideen zur Fassade. Was gibt es denn bei der Anlagentechnik an neuen Konzepten?

00:16:43: Bigalke: Es gibt eigentlich drei verschiedene Konzepte. Das eine ist eine, eine große, ich nenne das mal eine Garage, die unter die Erde gesetzt wird. Dann braucht man keine Baugenehmigung. In dieser Garage ist die gesamte Technik für einen Wohnblock, 20 Wohneinheiten, vielleicht sogar für drei, vier Wohnblöcke drin. Sind dann beispielsweise Luft-Wärmepumpen, es können aber auch durchaus Sole-Wärmepumpen sein. Da gibt es verschiedene Ansätze wie diese Garage kommt auch fertig ausgestattet auf die Baustelle. Man buddelt nur das Loch, setzt sie rein und hat dann weniger Anschlüsse, wie ein kleines Nahwärmenetz zu den Gebäuden. Das dann eine Neuentwicklung, die auch schon ein Projekt in Erlangen sehr weit ausgerollt wird. Wir haben andere Ansätze, die mit kleineren Modulen pro Gebäude arbeiten, die beispielsweise auch ins Dach reingesetzt werden. Das Dach wird kurz aufgemacht, da wird die Wärmepumpen-Technik dann reingesetzt als Luft-Wärmepumpe, auch die Speicher, und dann wird das Dach wieder zugemacht, die Technik entsprechend ans Gebäude angeschlossen und das Ganze ist auch deutlich schneller als eine ganz normale Wärmepumpen Installation. Die dritte Variante ist eine Lösung pro Wohneinheit, sprich, dass ich in der Wohnung statt einer Gas-Etagenheizung eine kleine Wärmepumpe habe ich dabei sogar den den alten Schornstein nutzt für die Luftzufuhr oder auch eine Luftzufuhr von der Außenseite hat. Das wird oftmals bzw. das ist noch in der Entwicklung. Aber wir sehen bei solchen Konzepten auch, eigentlich bei allen, dass die Tendenz immer mehr dazu gibt, Technik in die Fassade schon fertig zu integrieren, beispielsweise Lüftung in die Fenster schon mit zu integrieren, sodass ich möglichst wenig Eingriff in die Wohnungen habe. Das ist, sagen wir mal, die ganz große Technik Richtung, die Tendenz, in die alles geht. Und es gibt sogar ein Unternehmen, das eine solaraktive Fassade hat. Ein Stück weit kann das früher als transparente Wärmedämmung transluzent, also eine Fassade, die so viel Sonnenenergie noch mit aufnimmt, dass ich fast keine aktive Heizung mehr im Gebäude benötige und an den ganz kalten Tagen dann mit einem kleinen Infrarotstrahler noch auskommen und trotzdem Passivhaus-Niveau erhalte. Also das sind so ein paar Richtungen, in die die technische Entwicklung geht.

00:19:05: Grund-Ludwig: Sie haben vorhin von Net Zero gesprochen, sprechen jetzt von Passivhaus. Gehen Sie denn in Richtung Passivhausstandard oder in Richtung quasi Ausgleich übers Jahr mit Net Zero?

00:19:17: Bigalke: Also wir sind da relativ offen, weil das alles sehr nah beieinander liegt. Wir wollen da den Unternehmen auch nicht zu viel vorgeben. Manche Unternehmen gehen da schrittweise vor und fangen erst mal mit einem Effizienzhaus 55 an und sagen okay, PV, das kommt vielleicht noch später. wir wollen da eine gewisse Offenheit haben, aber Mindeststandard ist eigentlich das Effizienzhaus 55 und alles darüber hinaus, da müssen die Unternehmen eben auch eine Kostenoptimierung machen und die Kostenoptimierung nicht nur mit Blick auf die Investitionskosten, sondern durchaus dann auch mit Blick auf die laufenden Betriebskosten.

00:19:53: Grund-Ludwig: Sie haben bei der Heiztechnik jetzt nur über Wärmepumpe gesprochen. Ist die bei Ihren Projekten alternativlos?

00:20:00: Bigalke: Es ist im Prinzip die einzige Technik, die klimaneutral möglich ist, die wir so leicht mit der PV verknüpfen können, die plug and play möglich ist. Ich könnte mir durchaus Projekte vorstellen, die auch mit einer klimaneutralen Fernwärme funktionieren, beispielsweise. Aber wenn ich beispielsweise an Pellets denke, das wird schwierig, das so plug and play zu gestalten, das ist dann auch eine Platzfrage. Also insofern steht die Wärmepumpe für uns da schon an oberster Stelle, weil das wirklich alle Anforderungen optimal erfüllt.

00:20:37: Grund-Ludwig: Und Sie haben jetzt viel gesprochen über neue Technologien, neue Ideen für die Fassade, neue Konzepte für die Anlagentechnik. Wie würden Sie denn sagen ist das Verhältnis von Entwicklung neuer Technologien von den Anforderungen her im Vergleich zur Gewerke-Koordination, was stellt Sie da vor größere Herausforderungen?

00:20:58: Bigalke: Das geht eigentlich Hand in Hand, weil ja auch eine gute Technologie mit geringerem Aufwand bei der Gewerke-Koordination einhergeht. Wenn ich eine Technologie habe, die nur noch sehr wenig Eingriff in die Wohnungen braucht, dann ist dieser geringe Eingriff natürlich viel leichter mit Mieterinnen und Mietern abzustimmen, als wenn ich vier-, fünf-, sechsmal in die Wohnung rein muss beispielsweise. Also auch Koordination mit Mieterinnen und Mietern ist extrem wichtig. Gewerke-Koordination will ich sogar noch etwas ausweiten. Das ist dieser gesamte Prozess, den wir zwischen Wohnungsbauunternehmen, Komponentenherstellern und den Ausführenden haben. Ich glaube, dass wir da mit elektronischen Lösungen viel, viel bessere Prozesse hinbekommen. Was meine ich damit, dass beispielsweise in einem Onlineportal sämtliche Handwerkerinnen und Handwerker sehen können, wie der Bauablauf ist, darüber ihre Termine koordinieren können, dass darüber auch die Kommunikation mit Mieterinnen und Mietern läuft. Wann genau kommt jemand und um die Fenster bei mir in der Wohnung raus? Termine online organisieren mit Mieterinnen und Mietern, vielleicht noch mit einer kleinen Hotline für die Älteren unter uns, die nicht so Internet affin sind.

00:22:12: Grund-Ludwig: Das heißt, es geht da vor allem um eine terminliche Koordinierung und nicht um eine technische?

00:22:18: Bigalke: Ich glaube, dass die terminliche Koordinierung schon mal da schon mit die größte Herausforderung ist, die technische Koordinierung wird dann ein Stück einfacher, wenn ich eigentlich im Wesentlichen über vier, fünf Bauteile spreche. Also sprich, das ist ein Fassadenbauteil, es ist ein Dachbauteil und es ist ein Bauteil Anlagentechnik. Da sind schon nicht mehr so viele Schnittstellen, glaube ich, als wenn ich das alles projektweise konventionell umsetze.

00:22:49: Grund-Ludwig: Sie haben digitale Vermessung der Gebäude am Anfang angesprochen. Funktioniert es denn schon vernünftig? Wie viel muss man da nachbessern?

00:22:59: Bigalke: Also die Erfahrung der Bauunternehmen ist, am besten funktioniert es, wenn sie es selber machen. Anscheinend gibt es da durchaus, wenn das dritte Unternehmen machen, gibt es da durchaus Koordinationsschwierigkeiten, teilweise Schwierigkeiten mit der Genauigkeit oder ähnlichem. Aber da, wo die Unternehmen das selber in der Hand haben und genau wissen, worauf zu achten ist und darauf achten können, dass wirklich alles genau aufgenommen wird, da klappt das schon ganz gut. Wie viel muss nachgearbeitet werden? Das hängt sehr vom Stand der Software ab. Wir haben also ein Unternehmen, das weitgehend aus dieser Punktewolke, die da entsteht, weitgehend automatisiert schon die Fertigungsplanung für diese Elemente generieren kann, sodass man quasi per Knopfdruck nach dem 3D-Scan schon in die Fabrik gehen kann. Das ist noch ein Ausnahmefall und ich glaube, dass auch da sicherlich noch ein bisschen Nacharbeit im Zwischenschritt erforderlich ist. Aber technisch machbar ist das.

00:23:58: Grund-Ludwig: Zum Thema Digitalisierung ist er auch eines, was im Nachklapp der Projekte, also wenn die serielle Sanierung fertig ist, eine Rolle spielen sollte. Ist denn ein übergreifendes Monitoring der Projekte vorgesehen, läuft es schon?

00:24:14: Bigalke: Ja, das starten wir jetzt Schritt für Schritt, dass wir da eben einerseits ein energetisches Monitoring auch organisieren wollen, sprich die Daten der Unternehmen einsammeln wollen. Monitoring heißt für uns aber eben auch, dass die ganzen Erfahrungen aus dem Prozess und Ablauf, dass auch die möglichst weitgehend zur Verfügung gestellt werden. Das ist nicht immer ganz einfach, weil man über Fehler nicht gerne so offen spricht, aber dass wir einfach auch da unterstützen können, dass das eben nicht nur energetisch gemonitored wird, sondern dass eben auch Dinge wie was kommt für Mieterinnen und Mieter, für Erfahrungen am Ende dabei raus, was, wie war der Prozess, wie waren die Kosten, dass solche Dinge möglichst auch aufbereitet werden können.

00:24:56: Grund-Ludwig: Das ist wirklich Teil der Energiesprong-Projekte oder legen Sie da noch mal nach?

00:25:01: Bigalke: Also wir müssen da jetzt auf jeden Fall noch mal nachlegen. Das können wir auch jetzt so richtig erst, es sind fünf Projekte fertiggestellt. Das erste hat ja jetzt den zweiten Winter, sodass man jetzt so langsam auch erst Daten bekommt.

00:25:16: Grund-Ludwig: Sie sagen bei den ersten Gebäuden ist es schon möglich. Haben Sie da schon erste Erfahrungen, die Sie teilen können?

00:25:22: Bigalke: Also aus Hameln von dem Projekt wurde uns vom Bauunternehmen mitgeteilt, dass Net Zero deutlich überschritten wurde, sprich dass das Gebäude übers Jahr mehr PV-Strom produziert hat als für Raumwärme, Warmwasser und Haushaltsstrom. Also da gibt es schon eine sehr gute Erfahrung. Genauso aus Herford, auch ein Projekt mit komplettem Solardach, wo uns auch mitgeteilt wurde, dass der Energieverbrauch bisher extrem niedrig ist, dagegen die PV-Produktion wunderbar funktioniert. Also da gibt es bisher zwei sehr positive Erfahrungen.

00:25:55: Grund-Ludwig: Ja schön. Was sind denn so Ihre Ziele für die nächsten zwei Jahre? Wie viele Wohnungen sollen denn seriell saniert werden, haben Sie da eine Vorstellung von?

00:26:05: Bigalke: Also wir sehen ja jetzt, was alles in Vorphasen, wie wir das nennen, ist. Sprich, wir tracken da schon sehr genau, an welcher Stelle gerade eine Adresse auf dem Tisch liegt, Gespräche entstehen, dann aber eben auch Bauteamverträge oder eben richtige Bauverträge und anhand derer dieser Daten, die wir da immer wieder bekommen, vielleicht auch nicht vollständig, aber da können wir absehen, dass bis Ende nächsten Jahres so rund 2000 Wohneinheiten fertiggestellt sein können. Können uns aber auch vorstellen, das, ich hatte gerade schon die Förderung erwähnt, die von dem BMWK und der KfW angekündigt wurde. Für Anfang nächsten Jahres also ein Bonus für serielles Sanieren on top auf das Effizienzhaus 55 oder Effizienzhaus 44 EE oder nicht EE, dass durch diesen Bonus nochmal eine viel, viel größere Nachfrage entsteht, ganz viele Unternehmen sich das genauer anschauen und nach Projekten nachfragen. Das heißt, dass wir, Sie sagten zwei Jahre, also sagen wir übernächstes Jahr, da glaube ich, deutlich mehr dann als 2000 Wohneinheiten sehen könnten pro Jahr. Wir wünschen uns da ein exponentielles Wachstum. Ich sagte gerade Sanierungsrate steigern. Also wenn wir auch nur ein halbes Prozent mehr Sanierungsrate haben wollen, dann muss das Ziel eigentlich sein, rund 200.000 Wohneinheiten pro Jahr dann auch zusätzlich zu schaffen. Und das ist natürlich noch ein Weg. Aber wir glauben, dass wenn wir viele Unternehmen aktivieren, wenn wir beispielsweise Richtung Einfamilienhäuser eben auch die Energieberaterinnen und Energieberater Schritt für Schritt aktivieren, dass sie Projekte mit anleiern, dass sie mit beraten, wie solche Projekte umgesetzt werden können, dass sie vielleicht sogar Teil von so einem Netzwerk werden, was in Serie Projekte auch viel, viel schneller umsetzen kann. Ich glaube, dann sind solche Zahlen auch nicht mehr pure Utopie sozusagen.

00:28:00: Grund-Ludwig: Wo würden Sie denn da die Rolle von Energieberaterinnen und Energieberatern sehen?

00:28:05: Bigalke: Ich würde die einerseits in der Projektanbahnung sehen, die Energieberaterinnen und Energieberater haben da gut einen Draht zu sicherlich besonders zu Eigentümerinnen und Eigentümern von Einfamilienhäusern. Aber wir kennen auch viele Energieberatende, die mehr, also kleinere Mehrfamilienhaus-Besitzer gut kennen oder entsprechend Wohnungsunternehmen beraten. Und das heißt bei der Projektakquise, Projektanbahnung, anfänglichen Beratung sehe ich einen großen Schwerpunkt. Aber so wie ich es gerade sagte, wir brauchen auch Menschen und Unternehmen, die im Prinzip solche Prozesse organisieren. Es ist ja durchaus vorstellbar, dass die Energieberater da auch, ja, möglicherweise Handwerkerinnen und Handwerker koordinieren, entsprechend mit einem Baukasten, mit einer Software, die vielleicht noch mal von Außen kommt, ganze Projekte mitgestalten. Das könnte ich mir da durchaus auch vorstellen.

00:29:02: Grund-Ludwig: Letzte Frage: Was ist da das größte Hindernis im Moment Ihrer Einschätzung nach?

00:29:07: Bigalke: Das größte Hindernis in Bezug auf kleinere Projekte, wenn wir also nicht über Wohnungsunternehmen sprechen, ist, dass uns da noch die digitale Lösung für fehlt. Man kann sowas nur effizient abwickeln, wenn man einen sehr guten digitalen Prozess und ein sehr gutes digitales Tool hat. Und das, würde ich sagen, ist im Moment das größte Hindernis. Wenn wir das hätten, dann könnten wir bei den Einfamilienhäusern so richtig loslegen.

00:29:33: Grund-Ludwig: Okay, da scheinen Sie ja aber doch optimistisch zu sein. Das freut mich, danke Ihnen sehr für das Gespräch, war super interessant.

00:29:40: Bigalke: Ich danke auch.

00:29:42: Sprecher: Sie hörten einen Podcast zur Gebäudewende. Unser Gesprächspartner war Uwe Bigalke von der Deutschen Energie-Agentur dena. Redaktion: Pia Grund-Ludwig, Sprecher: Oliver Barner. Schnitt: Carolina Bergedieck. Weitere Ausgaben unseres Podcasts auf allen gängigen Podcast-Plattformen unter dem Titel Gebäudewende. Es hat Ihnen gefallen, dann gleich abonnieren.

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