Architects for future zur Transformation des Gebäudesektors

Shownotes

Forschungsprojekt der Architects fot future im Rahmen von Zukunft Bau: https://www.zukunftbau.de/projekte/forschungsfoerderung/1008187-2243

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00:00:17: Grund-Ludwig: Schönen guten Tag. Sie hören den Podcast Gebäudewende der Redaktion des Gebäude Energieberater aus dem Gentnerverlag. Wir befassen uns in diesem Podcast mit allen Themen rund um die Wärmewende im Gebäudebereich, mit Anlagentechnik, erneuerbaren Energien, Effizienz, Gebäudehülle, dem nachhaltigen Bauen und natürlich der Energieberatung in allen Facetten. Mein Name ist Pia Grund-Ludwig. Mein Gast heute ist Stefan Bauer. Er ist von Beruf Ingenieur für erneuerbare Energietechnik und im Podcast heute als Experte für Energiefragen von architects for future. Hallo Stefan, grüße dich.

00:00:48: Bauer: Schönen guten Morgen, Pia. Ich grüße dich.

00:00:50: Grund-Ludwig: Kannst du vielleicht in der ersten Runde mal kurz sagen, was die architects for future eigentlich machen, was euer Profil ist und an wen ihr euch richtet?

00:00:58: Bauer: Ja sehr gerne. Ich freue mich erst mal hier zu sein. Und ja, architects for future haben sich 2019 gegründet und sind Akteure aus der Baubranche, sind sowohl aus der Praxis als auch von Hochschulen und überwiegend Architekt:Innen und Menschen aus der Fachplanung von Kommunen, Liegenschaftsbetrieben, Projektentwicklern, Bauherren. Ganz, ganz bunter Mix aus der Immobilienbranche und Baubranche. Und momentan sind wir ja deutschlandweit in Österreich, auch in der Schweiz vernetzte Ortsgruppen, die ganz unterschiedlich viele Mitglieder haben, die sich in einem Schwarm organisieren, digital in Chatgruppen vernetzen und großteilig ehrenamtlich unterwegs sind. Ein spannendes Projekt ist gerade, dass wir ein Bauwendebüro gründen, was primär aus Spenden finanziert wird, so dass wir uns ein bisschen besser organisieren können. Die spannende Frage ist eigentlich, warum gibt es architects for future? Es gibt ja schon genug Bauverbände und Immobilienverbände. Und die Hauptursache oder der Grund war oder eigentlich gibt es drei. Das eine ist, wie bekannt ist, dass die CO2-Emissionen im Gebäudebereich einfach enorm sind mit 40 Prozent am gesamten CO2-Ausstoß. Und darüber hinaus gibt es aber den Punkt, dass zukünftig 9 Milliarden Menschen und mehr auf der Erde sein werden und wir momentan 90 Prozent der mineralischen Rohstoffe für Gebäude nutzen und davon nach dem Abriss fast nichts wiederverwenden. Und die begrenzten Ressourcen, die wir haben, führen einfach zu einem unweigerlichen Streit. Wenn wir weiter also zu Krieg, muss man es so benennen, wenn wir weiter so extrem Ressourcen nutzen. Und der letzte Punkt ist, dass wir allein in der halben Stunde, wo wir jetzt hier den Podcast führen, werden circa 1,5 Fußballfelder neu versiegelt in Deutschland. Und das ohne dass wir Bevölkerungswachstum haben, was einfach für die Biodiversität eine enorme Belastung ist. Und die Flächenversiegelung einfach thematisiert werden muss. Kurz, was machen wir? Wir vernetzen uns untereinander, tauschen uns aus zu nachhaltigen Lösungen, schaffen Wissen und sind in der Öffentlichkeitsarbeit, vor allem in der politischen Arbeit sehr aktiv. Instagram, Twitter ist das Social Media, was uns eigentlich hauptsächlich als Medium dient. Und wir hatten zwei sehr erfolgreiche politische Projekte. Das eine war eine Bundestagspetition, Bauwende jetzt, wo wir mit knapp 60.000 Unterzeichnerinnen sehr viel Aufmerksamkeit bekommen haben in der Baubranche und auch nachfolgend diverse Gespräche, zuletzt zu unserer Freude auch mit Bauministerin Geywitz Gespräche geführt haben über die aktuelle Situation und das nachhaltige Bauen. Und zuletzt der Punkt, wir haben eine Umbauordnung auf den Weg gebracht, wo wir Ansätze auch aufzeigen, wie das Bauordnungsrecht besser angepasst werden kann. Und sind da in der Diskussion mit der Bauministerkonferenz in der entsprechenden Fachkommission. Das ist so das kurze Bild von architects for future.

00:03:45: Grund-Ludwig: Okay. Ihr habt euch ja gleich zum Beginn ein großes Projekt vorgenommen und ein eigenes Forschungsprojekt gestartet, das Handlungspotenziale zur nachhaltigen Transformation des Gebäudebereichs ausfindig machen soll, so der Titel. Jetzt ist ja die Nachhaltigkeit im Baubereich kein wirklich neues Feld. Es gibt auch eine ganze Reihe von Studien dazu. Welche neuen Erkenntnisse versprecht ihr euch denn und wie bezieht ihr andere Akteure damit ein?

00:04:12: Bauer: Ja, wir haben uns sehr gefreut, dass wir Ende letzten Jahres vom Bundesinstitut für Bau, Stadt und Raumforschung vom BWSR ja den Förderbescheid bekommen haben. Und ja, wie du schon sagst, Nachhaltigkeit ist im Gebäudebereich nichts Neues. Es gibt die DGNB, LEED, BREEAM, BNB-Zertifizierung teilweise schon seit den 90er. Allerdings waren die auch immer freiwillig. Und viele von den Green Buildings muss man auch die Frage stellen, wie nachhaltig sind die wirklich?

00:04:40: Grund-Ludwig: Warum?

00:04:41: Bauer: Bestehende Gebäude wurden abgerissen, um Green Buildings zu bauen. Ist nicht immer wirklich zirkulär oder mit nachwachsenden Rohstoffen gebaut. Also sprich, die Gesamtbilanz war sicher besser als ein konventioneller Bau, aber nicht nachhaltig im Sinne, wie wir es heute brauchen. Und das Forschungsprojekt mit dem nicht ganz schlanken Namen „Ganzheitliche und interdisziplinäre Systemanalyse des Bau und Gebäudebereichs unter besonderer Betrachtung der potenziellen Transformation der bestehenden Strukturen“, den Link würde ich auch noch mal in die Notes mit rein geben. Da findet sich auf der Seite von Zukunftbau vom BWSR auch eine ausführliche Erklärung. Kurzum was hat der etwas sperrige Titel dahinter? Es geht prinzipiell darum, dass wir die Stellhebel für wirksame Maßnahmen identifizieren wollen, also sprich Maßnahmen, die eine Transformation des Gebäudebereichs ermöglichen. Dafür haben wir eine Software-gestützte Systemanalyse. Da ist auch ein Büro mit dabei, was das seit vielen Jahren macht. Auch Scientists for Future unterstützt das Projekt. Und das Ganze ist ein wissenschaftlich begleitetes Workshopverfahren, wo verschiedene Institute mit am Tisch sitzen. Verschiedenste Hochschulen, Privatwirtschaft, Finanzdienstleister, also aus allen Beteiligten sitzen Leute am Tisch oder von allen Beteiligten und versuchen Einflussgrößen auf den Gebäudebereich zu identifizieren und zu bewerten. Also wirtschaftliche, technische, ökologische, finanzielle Größen und ebenso aber auch soziologische Größen. Und das ist, glaube ich, das Neue an diesem Projekt, dass es zum Beispiel den Paradigmenwechsel, den wir gerade hin zu mehr Nachhaltigkeit haben, also Leute im täglichen Handeln, plötzlich viel mehr darauf achten. Aber auch Ängste vor Veränderungen wie die sozusagen genutzt werden können oder wie auch Hemmnisse ausgeschaltet werden können, um eine Bauwende schneller auf den Weg zu bringen. Das ist Kern des Projektes. Und hier erhofft sich auch das BWSR als Fördergeber neue Stellhebel oder Ansatzpunkte zu finden.

00:06:33: Grund-Ludwig: Das heißt, es geht da vor allem darum, noch mal die Motivation der Akteure und die Veränderung dieser Motivation zu hinterfragen?

00:06:42: Bauer: Genau, wir haben das ja in der Energiewende schon gesehen, wie Beharrungskräfte sehr stark sein können. Beharrungskräfte kommen immer dann, wenn es eigentlich funktionierende Geschäftsmodelle gibt. Das heißt der oder früher funktionierende Geschäftsmodelle wie der Gasverkauf. Und natürlich will ein Unternehmen davon nicht direkt abrücken und versucht auch ihr Geschäftsmodell zu verteidigen, was ja erst mal ein verständliches Handeln ist, weil auch Menschen mit Arbeitsplätzen hinten dranhängen. Die Frage ist, wie kriegt man eine Transformation schneller hin? Und, weil wir brauchen eine gewisse Geschwindigkeit und diese Beharrungskräfte für die Bauwende sozusagen zu erkennen und dann auch neue Wege zu gehen, ist Ziel des Projektes.

00:07:19: Grund-Ludwig: Das heißt, diese Hemmnisse kennt man doch nicht ausreichend?

00:07:21: Bauer: Uns bzw. in der Recherche für das Forschungsprojekt war kein Dokument, was eine ganzheitliches Bild zeigt, wie solche Gesamtsysteme funktionieren und wie eine Transformation gestaltet werden kann.

00:07:35: Grund-Ludwig: Wir hatten vorhin das Thema Nachhaltigkeit, größerer Fokus auf Nachhaltigkeit auch in der öffentlichen Diskussion. Das spiegelt sich ja mittlerweile auch in der Förderlandschaft, gerade im Neubau wider. Geht es denn eurer Meinung nach schon in die richtige Richtung?

00:07:49: Bauer: Qualitätssiegel Nachhaltiges Bauen ist ja jetzt im Neubau Förderung Pflicht. Und das ist wertvoll. Kurz, wenn Neubau, dann muss es auch generationsgerecht sein und nicht auf Kosten von zukünftigen Generationen gehen. Und da hilft das Qualitätssiegel nachhaltige, nachhaltiges Bauen, weil es genau diesen Flächenverbrauch adressiert. Zirkuläres Bauen, nachwachsende Baustoffe oder nachwachsende Rohstoffe als Baustoffe. Und gleichzeitig, dass Energieeffizienz und fossilfreie Energieversorgung thematisiert. Wir sind daher erst mal generell positiv eingestellt, was die Änderungen angeht und haben uns auch dafür eingesetzt, dass die Ökobilanz, die genau diese grauen Emissionen bilanziert, die bei Bauprodukte-Herstellung entstehen, oder auch auf der Baustelle vor Ort, dass die zukünftig ins Gebäude Energiegesetz mit einfließen, sprich dass dadurch Projektentwicklung auch mehr den Bestand energetisch mit einrechnen müssen und nicht ein Bestand einfach abgerissen werden kann. Und dann mache ich meine Gebäudeenergie, meine DIN 589 für einen Neubau und habe vorher eigentlich ganz viel Energie schon vernichtet. Und nach meinem Wissen ist jetzt auch 2024 soll auch die Lebenszyklus-Betrachtung oder Ökobilanz kommen. Ist glaube ich auch in der europäischen Gebäuderichtlinie auch schon adressiert.

00:09:01: Grund-Ludwig: Führt es nicht zum Problem, dass das Bauen noch komplexer und teurer wird und man damit gegen die soziale Nachhaltigkeit verstößt?

00:09:08: Bauer: Ja, das Dreieck der Nachhaltigkeit ist immer, wenn ich an einer Seite ziehe, verändert sich der andere die andere. Teureres Bauen, einerseits ist wichtig, darauf zu achten, aus welcher Ecke kommt diese Aussage? Da sind wir wieder bei Beharrungskräften und manchmal werden auch damit genau die Ängste geschürt, um einfach ein Status Quo, um konventionelles Bauen weiter beizubehalten. Und hier sind wir ganz klar der Meinung, dass erst mal nicht nachhaltiges Bauen Angst machen soll vor Kostensteigerungen, sondern ganz im Gegenteil, nicht nachhaltiges Bauen, weil das, was als Folgekosten aus Klimawandel, aber auch aus Ressourcenstreit kommt, da sind alle Prognosen um ein Vielfaches höher. Also werden unsere Lebensqualität viel mehr negativ beeinflussen. Das ist so ein bisschen der eine Hauptpunkt. Also zu gucken, auch aus welcher Ecke wird manchmal laut geschrien, dass das alles zu teuer ist. Der zweite Punkt ist, wir sind in Deutschland. Der Armutsbericht sagt, wir haben eine Armutsquote unter 20 Prozent. Andersrum sind 80 Prozent nicht arm. Wir sind eines der reichsten Länder der Welt. Und wenn ich mir tagtäglich, wenn ich mich umgucke, haben wir teilweise eher einen Überkonsum-Problem, eine Wegwerfmentalität bei Essen, bei Kleidung und tatsächlich auch bei Gebäuden. Also wir nutzen Gebäude immer weniger bzw. verschwenden mehr Fläche. Und das geht nicht in einer begrenzten Welt. Und das heißt nicht, wir sollen zurück in die Höhle, was dann schnell wieder postuliert wird. Aber den Standard zu hinterfragen, eine Maßhaltung ist notwendig und es wird teurer werden, Energie, Essen und Kleidung. Und es wird aber auch damit einhergehen eine höhere Wertschätzung für Produkte. Und diese Transformation ist nicht einfach, aber es kann nicht immer einfach mehr, mehr und mehr werden. Und damit müssen wir uns gesellschaftlich auseinandersetzen und müssen auch die unteren sozialen Schichten entsprechend abfedern. Das ist ein Punkt, aber noch ein letzter Punkt vielleicht dazu, weil dann ganz schnell das Thema kommt Mietexplosion in Metropolen. Und hier möchte ich auch gerne die Frage aufwerfen, wie viel von diesen Mietpreissteigerungen haben mit teurerem Bauen zu tun? Oder mit Renditeerwartungen von Immobilienkonzernen, die global agieren meistens. Und ich glaube nicht, dass wir die Mietpreisexplosion in Städten in den Griff kriegen, weil wir einfach nicht nachhaltig bauen, sondern da müssen andere Stellhebel, politische Stellhebel umgesetzt werden. Also hier wird deutlich, das Thema teurer oder Bau und Verteuerung ist vielschichtig und komplex.

00:11:25: Grund-Ludwig: Ein Hebel, den man im Moment versucht da zu ziehen, ist ja auch der Neubau. 400.000 neue Wohneinheiten pro Jahr war das Ziel. Ich spreche euch jetzt aber gegen den Neubau im geplanten Umfang aus und für Strategien von Umnutzung. Wie muss man sich das denn konkret für die heute bestehenden Gebäude vorstellen?

00:11:45: Bauer: Statt bauen, bauen, bauen, was ja so der Slogan war, um die Mietpreisexplosion in den Griff zu kriegen, setzen wir ganz klar auf Umbau und Erweiterung bzw. auch Umwandlung von Gewerbeflächen zu Wohnflächen zum Beispiel. Warum? Weil wir, wenn wir es uns anschauen und auch verschiedene Studien dazu betrachten, wir sind nicht mehr Menschen geworden in Deutschland und wir werden es auch nicht auf absehbare Zeit. Und es sind eher Änderungsansprüche. Also Menschen wollen andere Nutzungen haben, die wir, die uns entgegenstehen. Und das Thema Urbanisierung, also eine Verdichtung, oder viele Menschen kommen in die Stadt und hier geht es neben dem vorhin schon angesprochenen Maßhaltung also nicht mehr Wohnfläche pro Kopf, geht es vor allem auch darum, wie können wir das komplexe Wohnraumproblem im urbanen Raum angehen und wir empfehlen dafür eigentlich eine Art Suffizienz-Effizienzplanung, die über eine Wohnraumagentur die zum Beispiel das Thema Dachgeschoss- Ausbau oder -Aufstockung zentral das Wissen dazu sammelt und verteilt. Genauso wie zum Beispiel die Umwandlung von Büros in Wohnobjekte und somit schon mal dort eine zentrale Stelle ist, wo Menschen, die auch aktiv werden wollen, sich informieren können. Gleichzeitig ist dieser Stadtumbau oder diese Stadterweiterung ist recht kleinteilig, das heißt, die ist nicht unbedingt interessant für große Bau- und Immobilienunternehmen. Das heißt, es geht auch darum, lokale Akteur:Innen zu motivieren, zu unterstützen. Das können Baugruppen sein, genauso wie Genossenschaften. Und somit diese kleinteilige Stadtumbau auf den Weg zu bringen.

00:13:17: Grund-Ludwig: Ein Problem mit dem Umbau-Umzug. Da gibt es eine große Gruppe, die häufig in zu großen Wohnungen wohnt. Das sind Paare nach der Familienphase, die im Moment aber häufig nicht umziehen können, zumindest hier im Süden nicht, weil die Mieten in dieser Zeit der Familienphase so gestiegen sind, dass man sich eigentlich eine neue Wohnung gar nicht leisten kann. Gibt es da von euch Ideen dazu?

00:13:38: Bauer: Ja, klassisches Problem. Wir sehen es auch so, dass auch hier eine Art Effizienz Wohnraumagentur die Möglichkeit oder Möglichkeiten aufzeigt, aber auch zum Beispiel mit finanziellen Förderungen oder Fördermitteln ausgestattet ist, um zum Beispiel Umzugshilfen erst mal auf den Weg zu bringen, also zumindest die kleinen Hemmnisse zu beseitigen und dann auch die Möglichkeit, zum Beispiel eine Belohnung, wenn ich meinen Flächenfußabdruck reduziere, auch das anzureizen. Genauso wie zum Beispiel Tauschbörsen auf den Weg zu bringen, wo städtische Wohnungsbaugesellschaften Genossenschaften, Wohnungstausch-Plattformen anbieten und es nicht zu der oftmals absurden Situation führt, dass ich einen Mietvertrag habe von vor zehn Jahren. Und wenn ich jetzt in eine kleinere Wohnung ziehe, verteuert sich plötzlich meine Miete. Um dieses Problem zu begegnen, können Tauschbörsen ein Weg sein. Das ist allerdings stark davon abhängig, wie groß der Anteil von städtischen Wohnungsbaugesellschaften oder auch Genossenschaften in Städten sind. Also sprich die, die langfristig Immobilien halten und planen, können auch die Mieten preiswert anbieten. Wenn ich kurzfristige Renditen habe, klappt das halt nicht und daher ist es ein vielschichtiges Thema. Aber ich glaube, diese Wohnraumagentur und erst mal Wissen vermitteln ist ein guter Ansatz, um das auf den Weg zu bringen.

00:14:55: Grund-Ludwig: Du hast immer wieder das Thema Suffizienz angesprochen. Kann es denn auch in der Energieberatung eine Rolle spielen?

00:15:02: Bauer: Es muss also aus unserer Sicht, wenn wir uns die Geschichte angucken wir hatten in den Siebzigern die große Ölkrise. Und das Ergebnis daraus war, dass wir festgestellt haben, Energie ist nicht immer sicher und kostengünstig da. Und wir haben schlauerweise die Wärmeschutzverordnung auf den Weg gebracht. Haben Sie in die EnEV und die Gebäude-Energiegesetz überführt und haben viele Wände gedämmt, haben viel Wärme gespart und erst mal ein Erfolgsmodell. Gleichzeitig haben wir aber auch seit den 70er Jahren unsere Wohnfläche von 30 Quadratmeter auf fast 50 pro Kopf erhöht, Tendenz steigend. Das Ergebnis aus diesen beiden Fakten ist, dass wir eigentlich keine Wärme eingespart haben pro Kopf und da kommt das Thema Suffizienz wird dann deutlich, wie groß die Bedeutung ist. Und die Energieberater- Infrastruktur in Deutschland ist großartig. Wir haben unfassbar viele engagierte Menschen in allen Regionen, die vor Ort zum Thema Energie beraten, mit viel Wissen da reingehen. Und hier ist die Frage der Suffizienz auch gut andockbar. Also sprich, wenn ich in einem Objekt reingehe, die Frage zu bearbeiten, wie kann denn die beheizte Fläche pro Kopf reduziert werden? Kann denn zum Beispiel durch eine Integration von eine Einliegerwohnung hier was optimiert werden oder irgendwie Personen mit dazugenommen werden? Auch das wieder in Verbindung mit so einer Wohnraumagentur ist absolut gut vorstellbar.

00:16:21: Grund-Ludwig: Ihr habt jetzt eine ausführliche Befragung gemacht, auch als architects for future zu Sanierungs- und Umbauhemmnissen, die Basis ist für die Umbauordnung, die du schon erwähnt hast. Was sind denn da aus deiner Sicht die wichtigsten Punkte?

00:16:36: Bauer: Ja, das war ein sehr, sehr spannender Prozess, in dem großen Architekturschwarm diese Frage zu stellen. Und daraus sind sieben Änderungsvorschläge entstanden, die dann auch in die Umbauordnung eingeflossen sind. Und vielleicht die Hauptpunkte dort mal herausgegriffen. Und alle Punkte finden sich auch gut auf unserer Webseite, da ist die Umbauordnung, die wir an die Bauministerkonferenz versendet haben, nachzulesen. Und die Hauptpunkte, die wir auch aus der Umfrage rausgenommen haben, ist das die Musterumbau-Ordnung eine sehr sehr starke Fokussierung auf Neubau hat. Sprich die Vorgaben, die Richtung Abstandsflächen, Brandschutz, Schallschutz, Stellplätze in der Bauordnung drin sind, sind sehr, sehr stark auf Neubau konzentriert. Und sobald ich eine Sanierung machen will, stolpere ich über Anforderungen, die teilweise entweder nicht mal machbar sind oder einfach zu enormen Kostensteigerungen führen, weswegen dann ganz schnell gesagt wird, ohne groß drüber nachzudenken: Ja, ich reiße es weg. Und diesen Punkt haben wir aufgegriffen und haben Optimierungen oder Verbesserungsvorschläge eingebracht. Auch was den Verlust des Bestandsschutzes angeht, dass das neu geregelt wird. Und vielleicht, um es mal zu verbildlichen, ein klassisches Beispiel. Was aus der Zeit gefallen ist, ist das Thema Stellplatzregelung. Die Musterbau-Ordnung ist ja die Grundlage für die Länderbauordnung und teilweise Fliesen sind in Länderbauordnung Stellplatzanforderungen drin, die beim Bestand dazu führen, dass ich entweder unfassbare Tiefbaumaßnahmen machen müsste, die dann oftmals gar nicht gehen, bzw. wenn sie gehen, haben sie viel Beton, der da rein gegossen wird, Zement ist, weltweiter Zement CO2-Fußabdruck ist genauso groß wie die Flugzeug-CO2-Footprint also ist ein Klimakiller im großen Stile, und diese Stellplätze gleichzeitig auch Kosten verursachen für den Tiefbau, die enorm sind. Und hier muss man sich die Frage stellen Ist in heutigen Zeiten das zeitgemäß? Oder sind nicht Mobilitätsstrategien, die aus Shared Cars, aus ÖPNV, aus Rad und Lastenrad, aus Fuß neu kombiniert werden, der bessere Weg? Aus unserer Sicht absolut. Deswegen ist so ein Stellplatzthema ist adressiert und auch ein Thema ist es Abrissgenehmigungen, dass wir sagen ein Abriss darf nicht einfach so passieren, teilweise ohne Genehmigung, sondern es muss eine Prüfung stattfinden und erst wenn dort rauskommt, dass eine Sanierungsfähigkeit technisch nicht machbar ist oder auch aus sozialen Belangen aufgrund von Flächenstrukturen oder Nutzungsstrukturen einfach nicht mehr möglich ist, dann kann ein Abriss passieren, aber auch dann nur mit einem Rückbau-Konzept. Also was heißt Rückbau-Konzept? Da ist dann auch drin, dass zum Beispiel gewisse Bauteile wiederverwendet werden müssen, die dann in eine Bauteilbörse kommen und woanders wieder genutzt werden können, weil sie einfach noch technisch okay sind und nicht alles geschreddert wird und als Straßenunterbau kommt. Das ist da unsere Hauptforderung. Und vielleicht ergänzend an der Stelle noch das Thema Baustoffe und Bauteile und deren Kreislauffähigkeit. Hier ist es so, dass das eigentlich eher in der Bauprodukten-Ordnung geregelt wird. Allerdings hat auch die Musterbau-Ordnung Passagen drin, wo, ja, die Nutzung von gebrauchten Bauprodukten erschwert oder erst gar nicht möglich gemacht wird. Und auch…

00:19:42: Grund-Ludwig: Welche Teile sind das?

00:19:43: Bauer: Das ist von verschiedenster von Fenstern zu klassischen Selbsttragwerke, Balken oder sonstiges, wo man die eine Seite verstehen kann, das natürlich eine technische Prüfung gebraucht wird. Aber da geht es auch vor allem darum, dass wir Standardisierung kriegen für die Zulassung von gebrauchten Bauteilen. Da wir momentan nur Einzelzulassung haben, die einfach super aufwendig sind. Und hier brauchen wir, sage ich mal, schlanke, digitalisierte Prüfverfahren, die es möglich machen, dann Bauteile wieder zu verwenden.

00:20:12: Grund-Ludwig: Müsste das denn auch bei der Produktion stärker schon mitberücksichtigt werden. Ich meine, es ist ja kein Problem mehr, kein großes Problem mehr heute ein Produkt mit RFID-Chip oder ähnlichen Methoden quasi den digitalen Ressourcen Pass mitzugeben?

00:20:25: Bauer: Unbedingt, unbedingt. Das ist ein wertvoller Gedanke, dass wir, dass Hersteller nicht nach Ablauf der Garantiezeit entlassen sind, sondern dass sie für ihr Material und ihr Produkt auch länger geradestehen. Jetzt ist es so, dass uns das, was wir heute an Neubau haben, Neubau ist im einstelligen Prozentbereich, was den Gebäudebestand angeht. Das heißt, das wird uns nicht die nachhaltige Bauwende bringen, wenn wir es jetzt im Gebäudebereich machen. Wir müssen es machen. Aber spannend ist tatsächlich Wie gehen wir mit den ganzen Bestandsbauteilen um und natürlich haben die Hersteller die Prüfverfahren und haben auch schon die Methodik. Von daher wäre es wünschenswert, dass da zunehmend Hersteller auch gebrauchte Bauteile zurücknehmen und eine Art Retrofit durchführen, um sie dann wieder in den Markt zu geben. Dass da diese Kreislauffähigkeit geschlossen wird und auch nicht ohne die Hersteller, die dann ja sage ich mal, lange Angst hatten, dass sie nichts mehr Neues verkaufen, wenn alles gebraucht genutzt wird. Aber sie können ja Teil der Lösung sein.

00:21:18: Grund-Ludwig: Damit sind wir schon beim Punkt Planungen und Konzepte. Wie müssen die sich den ändern, damit wir wirklich in dieses Konzept des zirkulären Bauens, der Wiederverwendung von Baustoffen reinkommt und habt ihr dafür schon brauchbare Beispiele?

00:21:34: Bauer: Wir haben ein sehr schönes Beispiel bei mir um die Ecke in Berlin das Haus aus Müll, oder, ich glaube, der offizielle Projektname war etwas marketingfähiger. Das war das oder ist das Circlehaus und das wird momentan als Shared Office genutzt. Und das Spannende an dem Projekt ist, dass es eine Bestandssanierung war mit einer Aufstockung und im Planungsprozess waren ganz viele Materialjäger:innen unterwegs, die in Berlin in Deutschland geguckt haben. Welche Bauteile gibt es denn auf Bauteilbörsen, die Sie dann für Ihr Projekt nutzen können. Das waren dann Fenster und verschiedenste Einrichtungsgegenstände, Türen und aus dem Prozess heraus war ganz spannend, dass plötzlich dieses, es war nicht form follows function, sondern form follows waste. Sprich, teilweise waren die Fenster, die sie gefunden haben, die Gebrauchten, die, die dann für die Architektur vorgegeben haben, wie groß die Fenster sein werden. Und das ist natürlich im Planungsprozess hat das viel Stress erzeugt. Und weil es ein absolut neuer Ansatz ist.

00:22:36: Grund-Ludwig: Da stellt sich ja jedem Architekten die Fußnägel hoch, würde ich denken.

00:22:39: Bauer: Voll. Aber ich glaube einigen auch schafft es auch Freude, weil daraus auch ein neues Design entsteht wiederum, und wir haben es ja mit form follows function war es ja auch so, dass vielen sich die Fußnägel hochgedreht haben, dass sozusagen plötzlich Architektur einfach nur funktional sein soll und nicht mehr mit Ornamentik, so wie Jahrhunderte gebaut wurde. Es hat einen ähnlichen, kann einen ähnlichen Paradigmenwechsel dahinter sich verbürgen und wir werden zunehmend sehen wir der Planungsprozess sich da auf die auf den Prüfstand stellt. Auch wie der zukünftig aussehen wird, wenn wir mehr zirkulär bauen und auch mehr nachwachsende Rohstoffe. In dem Gebäude selber haben sie Holzständerwände verbaut, oben auf dem Dach die Aufstockung mit Strohelementen als Dämmung, Innen drin ist eine Lehmverputzung und auch kein Verkleben. Alles sortenrein auftrennbar. Also kurzum, das ganze Gebäude selber entspricht perfekt unseren Kernforderungen, die da sind, Bestand erhalten wurde gemacht, Suffizienz ist ein Shared Office, also eine sehr hohe Flächenausnutzungsquote und dazu nachwachsende Rohstoffe als Baustoffe mit geringen grauen Emissionen. Und das Ganze ist zirkulär geplant. Also perfektes Beispiel und wen es interessiert, es gibt noch eine Dokumentation dazu zu dem Circular-Haus, zu dem Planungsprozess und dann ist auch genau das zu sehen, was du gerade angesprochen hast. Teilweise war die Planungsphase sehr sehr Nerven rauben und am Ende ist aber was sehr sehr tolles und wegweisendes entstanden.

00:24:05: Grund-Ludwig: Du hast gesagt, man kann sich das bei dir um die Ecke angucken. Wo ist bei dir um die Ecke?

00:24:08: Bauer: Das ist Berlin Neukölln.

00:24:10: Grund-Ludwig: Okay, prima. Das war unser heutiger Podcast. Danke fürs Zuhören. Danke Stefan, für deinen Input. Ich fand es total spannend, inspirierend. Ich glaube, dass auch unsere Hörerinnen und Hörer da viele Impulse mitnehmen.

00:24:23: Bauer: Ja. Freut mich hier gewesen zu sein und war auch spannend, die Unterhaltung zu führen.

00:24:29: Grund-Ludwig: Sie haben den Podcast Gebäudewende gehört aus der Redaktion des Gebäude Energieberater aus dem Gentner Verlag. Mein Name ist Pia Grund-Ludwig. Mein Gast heute war Stefan Bauer von architects for future. Es hat Ihnen gefallen? Das freut uns, dann gerne kommentieren, weiter verlinken und abonnieren. Bis bald. Tschüss.

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