Wie viel Technik braucht das Haus?

Shownotes

Professor Timo Leukefeld geht mit der Idee eines möglichst enttechnisierten Hauses neue Wege. Heute verbaute Technik sei häufig zu komplex, zu teuer und zu reparaturanfällig, sagt er und schlägt simple und robuste Lösungen vor.

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00:00:17: Sprecher: Gebäudewende – Ein Podcast des Gebäude-Energieberater im Gentner Verlag. Hintergrund und Meinung rund um die Wärmewende im Gebäudebereich, um Quartiers- und Gebäudekonzepte, die den Neubauten und Gebäudebestand tauglich machen für den Klimawandel und um Ideen und Forschungsansätze für klimafreundliches Wohnen. Unser Thema heute: Wie viel Technik braucht das Haus? Unser Podcast-Partner ist Professor Timo Leukefeld aus Freiberg in Sachsen. Pia Grund-Ludwig, Chefredakteurin des Gebäude-Energieberater spricht ihm über sein Hauskonzept auf Basis von möglichst wenig Technik.

00:01:02: Pia Grund-Ludwig: Herr Leukefeld, schön, dass Sie Zeit haben. Wir sprechen über das Thema Enttechnisierung von modernen Gebäuden. Unser Podcast beginnt mit immer drei Fragen an unseren Interviewpartner. Meine Einstiegsfragen an Sie: Apple oder Huawei?

00:01:18: Timo Leukefeld: Das wäre für mich so wie die Frage, dass ich mich entscheide zwischen Pest und Cholera.

00:01:24: Grund-Ludwig: Schlüssel oder Key-Card?

00:01:27: Leukefeld: Ganz klar Schlüssel. Ich möchte gerne etwas in der Hand haben, was Haptisches und was fühlen. Und ich möchte natürlich im Falle eines digitalen Ausfalls, Hackerangriff oder so, analog auch handlungsfähig sein.

00:01:41: Grund-Ludwig: Amazon oder Bio-Laden?

00:01:43: Leukefeld: Ganz klar Bio-Laden.

00:01:47: Grund-Ludwig: Gut, dann lassen Sie uns mal einsteigen in unser Kernthema Endtechnisierung. Smart Home sind ein zentraler Trend der Zukunft des Bauens. Sie sprechen von Enttechnisierung, sind Sie denn ein Technik-Gegner?

00:02:05: Leukefeld: Also, ich bin ja gelernter Handwerker, habe als Heizungsbauer gearbeitet und Ingenieur. Da können Sie kaum ein Technik-Gegner sein. Ich muss aber doch noch mal ein bisschen einführen. Smart Home, sagen Sie ist ein Trend, ja, das ist ein politisch gemachter Trend. Und wenn Sie sich mit Trendforschung auseinandersetzen, gibt es da immer Trends, die von der Industrie gut angeheizt sind und andere Trends, die eher aus wirtschaftlichen getriebenen Gründen sich entwickeln können. Und wir merken eben im Moment, dass wir da sehr oft immer über die Kaltmiete sprechen, die sogenannte erste Miete, und jetzt sprechen wir über die zweite Miete, die Betriebskosten. Der Gesetzgeber sagt, wer neu baut, muss dick dämmen, muss ganz viel Technik einbauen: Wärmepumpen, zentrale Lüftungsanlagen, Smart Home, Bus-Systeme, Solaranlagen und so weiter. Und jetzt haben wir aber noch einen Gegentrend und der besteht daraus, dass wir immer weniger Handwerker haben, die irgendetwas reparieren können. Und wir haben Technik, die nicht mehr so lange hält, also das Thema Soll-Bruch-Stellen, was wir aus dem Handy kennen, ist massiv auch in der Haustechnik vertreten. So, wenn ich das jetzt zusammenfasse, reden wir Praktiker von einer dritten Miete und das sind die Kosten für Wartung und Reparatur von der vielen Technik. Und da ich selber gelernter Handwerker bin und alle Wartungsrechnungen und so weiter kenne, ist meine These, das die, im Neubau jetzt, ich rede jetzt vom Neubau, die Kosten für Wartung und Reparatur in Zukunft die eingesparten Energiekosten übersteigen werden. Und wenn Einem das mal klar wird, dann ist eigentlich der Handlungsdruck klar. Also, wir müssen uns darum kümmern, uns mit weniger Technik, mit soliderer Technik, mit langlebiger Technik und mit einfach bedienbarer Technik auseinander zu setzen. Zumal ja ein Trend dazu kommt, dass wir durch die besseren Gebäudehüllen und dem Klimawandel immer weniger Heizwärmebedarf haben und die Heizung an Bedeutung verliert und das Kühlen an Bedeutung gewinnt. Also unter diesen Rahmenbedingungen bin ich für eine absolute Vereinfachung und das Thema Smart Home ist sozusagen ein Thema, was hoch komplexe Systeme bringt, die am Anfang natürlich erst mal hoch effizient sind, sehr viel Wartung und Reparatur erfordern, sehr viel Abhängigkeit zu dem Kunden aufbringt und wir wissen das ja aus Forschung, das mit steigender Effizienz in der Regel die Suffizienz, also die Widerstandsfähigkeit, abnimmt. Und aus diesem Rahmen heraus ist es eben wirtschaftlich absolut sinnvoll, darüber nachzudenken, wie können wir radikal vereinfachen.

00:04:55: Grund-Ludwig: Wenn man sich aktuelle Produkte, Produktlinien, anguckt, dann geht das doch eher in die gegenteilige Richtung?

00:05:04: Leukefeld: Das sind Industrieverkaufsprogramme und dort hat man ja auch eine gute Lobbyarbeit gemacht, das kennen Sie bei dem Thema Dämmung, das kennen Sie bei dem Thema Lüftungsanlage, bei dem Thema Wärmepumpen und so weiter. Das muss aber nicht heißen, dass man diesem Trend auch folgen muss. Vielleicht wäre auch so ein Kostenvergleich mal interessant oder?

00:05:27: Grund-Ludwig: Ja, schießen Sie los.

00:05:29: Leukefeld: Also wenn Sie heute ein Einfamilienhaus bauen, auch hier in meinem Wohngebiet, haben die meisten eigentlich so dicke Styropor-Wände gemacht, eine Luftwärmepumpe, Fußbodenheizung, haben einen Verteilerkasten, Warmwasser-Boiler, Warmwasserzirkulationsleitung und so weiter. Dieses, ich sage mal, Energietechnik-Paket für Heizung und Warmwasser kostet heute im Einfamilienhaus ungefähr 35.000 €, inklusive Mehrwertsteuer, fertig montiert, Tendenz stark steigend wegen dem Handwerkermangel. Wir haben im übrigen einen ganz besonders im Heizungssanitär-Gewerk auftritt und sich verstärken wird. Und wegen der guten Gebäudehülle und dem Klimawandel haben Sie dann noch Heizkosten von 600 € im Jahr, für Warmwasser und Heizung. Da kommen Sie schon mal ins grübeln und sagen, naja, 600 € und 35.000 € Invest, stimmt denn da das Verhältnis noch, also diese Verhältnismäßigkeit. Das ist sozusagen das Eine und wenn ich das jetzt mal vergleiche und sage, ich lasse das einfach mal alles weg, also keine Fußbodenheizung mehr, dann wird übrigens auch der Fußbodenaufbau viel viel einfacher, in einem Neubau, keine Verteilerkästen, keine Wärmepumpe, ich habe keinen Heizkessel, keinen Warmwasserboiler, keine Warmwasserleitung, keine zentrale Lüftungsanlage mit Wärmerückgewinnung etc. und baue eine Infrarotheizung ein, die wartungsfrei ist und eine elektrische Warmwasserbereitung, die auch wartungsfrei ist, dann liege ich vergleichbar bei 6.000 – 9.000 € Invest. Habe auch noch mal vom Heizen her ganz andere Vorteile, Strahlung führt zu einem ganz anderen Wohlbehagen als Konvektionen, ich habe auch keinen Staub mehr, der aufgewirbelt wird. Also da hängt sehr sehr viel dran und dann hätte ich etwa 1.100 € Energiekosten für Heizung und Warmwasser im Jahr. 1.100 zu 6.000 – 9.000 € Invest im Vergleich zu diesen 600 €, 700 € zu 35.000 €. Da wird ganz klar, dass da eine riesige Kluft aufgeht, wenn ich jetzt Photovoltaik dazu nehme mit einer Batterie, dann bin ich immer noch unter den 35.000 € Invest und bin auch etwa bei 600 € Energiekosten pro Jahr. Aber dann schon für Heizung und Warmwasser und Haushaltsstrom und ich kann sozusagen noch die E-Mobilität ankoppeln. Also dort ist eigentlich ganz klar ein Trend und das sieht man bei großen Heizkessel-Herstellern, die jetzt riesige Infrarot-Abteilungen aufmachen, das sieht man bei Passivhaus-Firmen, die massiv umstellen auf Infrarot, weil für die vereinfacht sich das natürlich, weil Sie müssen sich vorstellen, man baut jetzt nur eine Gebäudehülle und spart mit der Haustechnik ganz viel Geld ein. Wer nachhaltig plant, nimmt einen Teil dieser Einsparung und gibt es in eine bessere, nachhaltigere, ökologischere Hülle, weil die Gebäudehülle steht für 80 Jahre, Haustechnik hält nie so lange. Und gibt dem Kunden eine Garantie, also Wartungsfreiheit, er muss sich um nichts mehr kümmern, und dann baut man die Hülle, dann kommen nur noch Kabelausbauer, ungelernte Hilfskräfte, die nach einen Ingenieurplan Kabel auslegen und dann kommt ein Elektriker, ein ausgebildeter, der die Endgeräte anknipst. Der Bau wird extrem vereinfacht vom Ablauf von den Kosten und die Hausbaufirma kann eine hohe Gewährleistungsgarantie übernehmen, eigentlich zehn Jahre bei der Haustechnik, weil die Technik ist wartungsfrei. Und da sieht man, wo der reale Trend hingeht, nämlich zur Vereinfachung und unter diesen Randbedingungen, also gute Hüllen, Klimawandel, weniger Handwerker, die wir haben, mehr Soll-Bruch-Stellen, sowieso den Bereich, das die Politik eine reine Stromgesellschaft anstrebt, was über die EnEV, über die KfW und so weiter massiv unterstützt wird und mit dem Blick, das Stromnetz immer grüner wird, plus neue Geschäftsmodelle, zum Beispiel die Cloud-Lösung, die nehmen ihm im Sommer den überschüssigen Strom ab und geben ihm fast die gleiche Menge im Winter zurück. Dann haben Sie praktisch null Energiekosten und haben trotzdem schon eine hohe Grundautarkie. Das heißt, selbst wenn so ein Cloud-Modell mal weg fällt, weil da auch natürlich viele schwarze Schafe im Moment noch unterwegs sind, hat man eine hohe Grundautarkie und geringste Energiekosten und meine These ist ja, wenn Sie diese Randbedingungen anschauen, die sich noch mehr verschärfen werden, sage ich voraus, dass im Neubau in den nächsten zehn Jahren die Flüssigkeitsheizung verschwinden wird und das ist natürlich eine krasse Behauptung, oder eine Desruption, eine Unterbrechung dessen, was wir jetzt die letzten 70 Jahre gemacht haben, für viele unvorstellbar, aber ich merke, wie sich der Markt von unten massiv umstellt genau auf diese einfache Lösung.

00:10:35: Sprecher: 35.000 Euro Investitionskosten in Technik nennt Leukefeld, bei Energiekosten in Höhe von nur noch einigen hundert Euro pro Jahr in modernen Gebäuden. Eine bessere Gebäudehülle, Wände mit hoher Speichermasse und sinnvoller Dämmung ermöglicht das und reduzieren den Verbrauch deutlich. Doch was heißt das für die Haustechnik der Zukunft? Damit befassen wir uns im nächsten Teil des Podcasts.

00:11:01: Grund-Ludwig: Was bedeutet das denn für die konventionellen Heizungen, die wird es nicht mehr geben?

00:11:08: Leukefeld: Naja, im Altbau schon. Im Altbau wüsste ich jetzt nicht, wie man die Flüssigkeitsheizung ersetzen könnte, ich denke, dort wird die für Jahrzehnte dominieren. Im Neubau ist meine These wird sie in den nächsten zehn Jahren verschwinden und damit gekoppelt ja eigentlich der Gaskessel, der Öl-Kessel, die Wärmepumpe, der Pellet-Ofen, die Fernwärmestation.

00:11:29: Grund-Ludwig: Ist denn das Setzen auf Strom dabei wirklich zukunftssicher?

00:11:35: Leukefeld: Also, man müsste jetzt sagen, wenn alle mit Strom heizen, haben wir ein Problem, volkswirtschaftlich und energiewirtschaftlich, aber ich muss ja mal eins sagen, wir sind jetzt schon bei einer Millionen, um einer Millionen, Wärmepumpen etwa, glaube ich. Dann müsste man ja erst mal mit dieser Branche reden, wo kommt denn der Strom im Winter her bei einer Millionen Wärmepumpen? Wir reden ja jetzt bei Infrarot von einer ganz kleinen Nische im Moment und da wird schon die große Kanone ausgefahren. Infrarot geht nur sehr sehr sinnvoll im Neubau aus meiner Sicht, im Altbau und der Sanierung, wo man eben keinen Platz hat für Wassersysteme, aber im Neubau bei diesen guten Hüllen, stellen Sie sich vor, wir haben bei einem Mehrfamilienhaus die 70 kWh Heizwärmebedarf pro Quadratmeter, die wir erreichen. Jetzt kommen immer mehr wildere Winter, da können Sie ganz ganz unbeschwert mit Strom heizen, weil Sie brauchen ganz ganz wenig, da spielt Warmwasser eine viel größere Rolle. Der Haushaltsstrom ist dort viel dominanter und wenn jetzt Photovoltaik immer preiswerter wird, auch die Leistung langsam nach oben geht und jetzt auch anfangen, die Batterien kostengünstiger und ökologischer zu werden, dann arbeitet der Markt komplett für diese Technologie.

00:12:53: Grund-Ludwig: Ein Baustein, der in modernen Gebäuden häufig kritisiert wird ist Lüftung, kann man denn ohne Lüftung überhaupt noch zukunftsfähig bauen?

00:13:04: Leukefeld: Naja, das ist ein, das ist fast ein philosophisches Thema will ich mal sagen. Ich sage mal, man kann das mit Lüftung machen, man kann es auch weglassen. Wir haben ja hier zwei Häuser in Freiberg, autarke. Eins hat eine kontrollierte Be- und Entlüftung zentral mit Wärmerückgewinnung. Das andere Haus arbeitet nur mit Fensterlüftung und einer Miefampel, wo die Nutzer aufgefordert werden, bei Rot eben Fensterlüftung zu machen und die wissen auch, wie man Fensterlüftung richtig macht, mit der Stoßlüftung. Und messtechnisch über drei Jahre keinen Unterschied energetisch. Also es ist immer die Frage, wo guckt man hin. Energetisch bin ich nicht so überzeugt, dass es viel bringt, weil wenn Sie sich die Thermodynamik angucken, in Luft ist ganz wenig Energie drin und wenn Sie aus ganz wenig viel zurück gewinnen, ist es immer noch wenig.

00:13:52: Grund-Ludwig: Das heißt, Sie würden Lüftung auch ohne Wärmerückgewinnung machen?

00:13:55: Leukefeld: Im Mehrfamilienhaus sind wir massiv dran, in der Forschung von dieser zentralen Lüftung weg zu kommen erst mal Schritt, dezentrale Lösungen nur noch in Problemzonen und unser Fernziel ist eigentlich eher eine Fensterfalzlüftung mit einer kleinen dauerhaften Abluft im Bad und in der Küche, damit wären wir von der Technik komplett weg, haben den Luftwechsel drin, zwangsweise, also wenn Mieter da gar nichts machen. Wir merken aber auch durch die Infrarotheizung können wir es eben schaffen, alle Oberflächen im Raum zu erwärmen und damit haben Sie dieses Schimmelproblem zum Beispiel fast komplett vom Tisch.

00:14:36: Grund-Ludwig: Sie setzen auf Fensterfalzlüftung, weil es auch eine automatische Lösung ist?

00:14:41: Leukefeld: Genau, also wir wollen die Mindeststandards des Gesetzgebers erfüllen und dann sagen wir, ok, es gibt ja auch Leute, die sperren sich, rammeln alles zu und hängen Wäsche auf, diese Extremfälle, die haben wir damit mit eingebunden. Es gibt dann praktisch eine dauerhafte Zwangslüftung, aber auf ganz niedrigem Niveau mit ganz einfachem und wartungsfreiem System.

00:15:05: Grund-Ludwig: Sie haben vorhin das Thema Förderung angesprochen, muss sich denn die Förderpolitik ändern, damit es zu einer Enttechnisierung kommt?

00:15:15: Leukefeld: Ja, ich denke, es wäre eigentlich, Förderungen zum anschubsen einer Geschichte ist immer gut, wenn sie dauerhaft da ist, verzehrt sie den Markt immer. Also wir erleben das ja laufend, das Leute sagen, ich will die KfW Förderung haben 40 plus und dann sieht man, man muss ganz viel Technik einbauen und dann bekommen die am Anfang ein bisschen Förderung und haben dann aber in den nächsten Jahrzehnten mit Blick auf die Dinge, die wir besprochen haben, Handwerkermangel und Soll-Bruch-Stellen, haben die massive Ausgaben für Wartungen und Reparatur.

00:15:50: Sprecher: Wie sieht nun das kostengünstige und energiesparsame Haus der Zukunft aus? Unser Gesprächspartner ist Timo Leukefeld. Er bezeichnet sich selbst als „Redner für das Leben in der Zukunft“ und ist skeptisch, ob Smart-Home-Lösungen ein Teil dieses Lebens sein sollten. Die Fragen stellt Pia Grund-Ludwig, Chefredakteurin Gebäude-Energieberater.

00:16:14: Grund-Ludwig: Wie hoch schätzen Sie denn die Kosten in den ersten zehn Jahren eines heute gebauten Standardhauses?

00:16:19: Leukefeld: Ganz schwierig. Das kommt auf den Einzel-, wie viel Technik hat er drin? Ich kann nur mal so ein paar Randbedingungen nennen. Ich denke, wenn sich das so fortsetzt und der Mangel bei Handwerkern liegt vor allem im Dachdeckerbereich und im Heizungsbau, kann ich mir in zehn Jahren durchaus eine Handwerkerstunde in dem Bereich zwischen 150 und 200 € vorstellen. Und ich bin Handwerker, ich habe hier mit der Handwerkskammer zu tun, ich mache da keine Luftschätzungen. Das ist das eine und das andere ist die Frage, wie viel Technik habe ich drin? Eine Lüftungsanlage hat Wartungsintervalle mit dem Filter, eine Wärmepumpe, Solaranlagen sind relativ pflegeleicht, muss ich sagen, Solarthermie und Photovoltaik, da sehe ich jetzt nicht so einen riesigen Reparaturbedarf, die Smart Home-Systeme da hat man sehr viel Risiko, was man noch eingeht. Ich habe selber ein Gebäude mit einem Bus-System eingebaut, Smart Home, und habe vor einem Jahr dann einen Brief bekommen, dass meine Bus-Firma in Insolvenz gegangen ist und keine Teile mehr liefert und die Fachexperten sind innerhalb von drei Wochen in anderen Firmen.

00:17:33: Grund-Ludwig: Das ist bitter.

00:17:35: Leukefeld: Und da mein Bus-System zentral wirklich auch alles gesteuert hat, Jalousien, Licht und Heizung zum Beispiel, sitze ich seit sieben Monaten in meinem Haus ohne Licht, ohne die Heizung und ohne dass ich die Jalousien bedienen kann. Die Heizung habe ich als Heizungsbauer selber manuell wieder irgendwie in Gang gekriegt, die läuft halt jetzt immer, Fußbodenheizung, und ich habe die Heizkurve ganz runter genommen und habe festgestellt, man braucht gar keine Einzelraumregelung und außen geführte Geschichte. Einfach Heizkurve sehr weit runternehmen und durchlaufen lassen. Dann habe ich mir Stehlampen gekauft aus dem OBI-Baumarkt, sodass wir erst mal Licht haben und die Jalousien sind halt zum Glück beim Defekt der Bus-Regelung gerade offen gewesen und ich suche jetzt Firmen, die mir das umbauen um das zu reparieren seit sieben Monaten. Und ich finden niemanden, weil jeder sagt, das ist nicht unser Software-Dings, die Kabel sind andere als wir sie nehmen und und und. Also man begibt sich mit dem Smart Home natürlich häufig, nicht immer, in eine hohe Abhängigkeit und wenn der Anbieter weg ist, und der Spezialist, der Ihr Haus konkret betreut hat mit dem Software-Paket, wenn der in eine andere Firma geht, gehen die ersten Probleme los. Also ich sehe das noch nicht so, dass die ganze Welt dann Smart Home wird, weil viele Menschen, oder viele unserer Kunden sagen, bitte kein Smart Home, bitte ganz einfache Technik, wo wir kein Stress haben, wo wir von Handwerkern möglichst unabhängig sind und wo die Mieter auch sozusagen ohne jegliche Störung oder Prospekte lesen zu müssen, die Wohnung bedienen können.

00:19:13: Grund-Ludwig: Was war denn Ihre Motivation, Smart Home einzubauen? Ich meine, diese Probleme waren doch eigentlich auch schon vorher absehbar.

00:19:23: Leukefeld: Ja, als Techniker sind Sie immer neugierig.

00:19:27: Grund-Ludwig: Der Spieltrieb.

00:19:28: Leukefeld: Genau, Sie wollen alles ausprobieren, Sie ahnen gar nicht, was ich alles in meinem Keller jetzt stehen habe von Alexa bis… Und dann gibt es einen Friedhof im Keller, wo dann der ganze Schrott hinkommt, weil man natürlich erst mal tief eintauchen muss und probieren und Erfahrungen machen und dann lässt man wieder Dinge los. Die 25 Jahre Techniker-Leben, wo ich auch meine Familie gequält habe mit allen möglichen Entwicklungen, haben mich eigentlich wirklich zu dem Punkt geführt, wir müssen die Dinge wesentlich vereinfachen und mit weniger Technik, die einfacher funktioniert, und langlebiger ist, auskommen.

00:20:03: Grund-Ludwig: Ok, das heißt, Sie waren Nerd und sind jetzt bekehrt?

00:20:08: Leukefeld: Ich bin auch immer noch Nerd, also ich probiere trotzdem noch alles aus, aber für meine Kunden habe ich dann eine andere Verantwortung. Und dort sind wir jetzt so weit, dass wir vieles eher weglassen und dem Kunden dazu raten und die Konsequenz ist ja, dass der Kunde eine viel bessere Wirtschaftlichkeit hat, eine bessere Mietrendite, ein besseres Verhältnis zu den Mietern, eigentlich verbessern sich alle Dinge, die dem Investor wichtig sind durch weniger Technik.

00:20:38: Sprecher: Unser Gesprächspartner ist Timo Leukefeld. Er entwirft ein Haus, das mit sehr wenig Technik auskommen soll. Pia Grund-Ludwig, Chefredakteurin Gebäude-Energieberater wollte wissen, wie man sich so ein Haus vorstellen muss.

00:20:53: Grund-Ludwig: Sie entwerfen ja derzeit so ein enttechnisiertes Haus, können Sie das mal ein bisschen beschreiben, wie sieht das konkret aus?

00:21:06: Leukefeld: Das Prinzip ist relativ einfach, wir haben eine monolithische Hülle, also wir bauen 43, 45 cm dicke Ziegelwände, keine extra Dämmung Außen drauf. Innenwände auch massiv aus Ziegel, also um eine hohe Speichermasse zu haben. An der Decke die Infrarotpaneele, die gut positioniert sein müssen, das muss man auch ingenieurtechnisch auslegen, also die Ingenieure haben trotzdem noch viel Arbeit, das ist nicht so, dass die ihre Arbeit verlieren. Also Infrarotheizung, elektrische Warmwasserbereitung dezentral, das kann im Einfamilienhaus der Durchlauferhitzer sein zum Beispiel. Dann Photovoltaik auf dem Dach, das ist beim Einfamilienhaus meistens die 9,99 kW-Anlage, ein 10 kWh Akku dazu und eine Elektroladesäule, um das E-Auto zu laden. Und das ist jetzt eigentlich so das Grundkonzept im Einfamilienhaus und dann kann man überlegen, nimmt man eine Cloud-Lösung, da muss auch genau gucken, dass man auch etwas seriöses findet, eine Strom-Cloud-Lösung. Nimmt man noch einen Holzofen dazu, ich würde das immer machen, weil dieses Knistern und Flackern ist das eine, also Lebensqualität, und wenn man im Winter ab und zu mal ein Stück Holz anlegt, hat man einfach weniger Stromkosten in der Infrarotheizung und hat, wenn der Strom mal ausfallen sollte und je digitalisierter dieses Stromnetz wird in Zukunft denke ich wird es auch unsicherer. Die Effizienz steigt, die Resilienz sinkt. Das heißt, bei einem Stromausfall kann man dann trotzdem sein Haus einfach heizen, weil da ein Kaminofen völlig low-tech ist. So und das übertragen wir gerade ins Mehrfamilienhaus und jetzt wird in Lübben und in Unna die ersten Mehrfamilienhäuser gebaut, da ist der Baubeginn jetzt demnächst. Also in Lübben ist er schon da, in Unna kommt er demnächst und wir planen praktisch die ganzen Mehrfamilienhäuser nur noch mit Infrarotheizung und vielleicht ist das da auch ein sehr emotionaler Aspekt. Ich habe eine Honorarprofessur für Solarthermie und in unseren neusten Projekten ist die nicht mehr dabei.

00:23:16: Grund-Ludwig: Warum?

00:23:19: Leukefeld: Das ist eben dieses Thema Destruktion, Unterbrechung dessen was man bisher gemacht hat. Also unter den Randbedingungen, die wir ja besprochen haben, also Heizen verliert immer mehr an Bedeutung, Kühlen gewinnt an Bedeutung, keine Handwerker, Soll-Bruch-Stellen in der Technik, ist einfach das wasserführende System ist im Neubau ein Auslaufmodell unter wirtschaftlicher Blickweise. Und die Solarthermie, dich ich sehr mag und die im Altbau und in Fernwärmenetzen und so weiter, auch im Neubau sicherlich noch eine Rolle spielen wird, die geht eben nur in Verbindung mit Flüssigkeitsheizsystemen. Dann habe ich wieder diese hohe Gesamtinvestition.

00:24:07: Grund-Ludwig: Wenn jetzt ein Energieberater sich entscheidet in Richtung enttechnisiertes Haus zu beraten in der Planung, worauf muss der denn achten?

00:24:17: Leukefeld: Naja, ich würde die Infrarotheizung immer nur im Zusammenspiel mit Photovoltaik sehen, weil ja, muss man auch klar sagen, Strom viel teurer ist zum Heizen als jetzt Gas, Öl oder Pellets. Deswegen sollte man die Infrarotheizung immer mit Photovoltaik kombinieren um möglichst den größten Teil des Stroms, den man braucht im Haus für alles, fürs Autofahren, für Haushaltsstrom und für Warmwasser und Heizung selber produzieren zu können. Und Energieberater, also im Einfamilienhaus ist es relativ einfach, weil die Leute heute aus Kostengründen, weil Photovoltaik immer günstiger geworden ist, diese 10 kW-Anlage eigentlich in der Regel immer ausreizen. Also da gibt es kaum noch eine Dimensionierungsvorschrift, das man sagt, dass eine Haus braucht genau 6,3 kW und das andere 7,9, sondern man sagt, das was auf dem Dach ist, ist vom Gesamt-Invest völlig überschaubar und dann reizt man es aus bis knapp unter die 10 kW, um praktisch da nicht dann in die Sonnensteuer reinzukommen. Die Batterie hängt dann ein bisschen davon ab, ob man mit E-Mobilität oder ohne rangeht. Wenn man E-Mobilität vorhat, würde ich die eher etwas überdimensionieren, wenn man das nicht vorhat, kann die zwischen 5 und 10 kW liegen, Kilowattstunden. Und dann würde ich wieder auf die massive Bauweise achten, viel Speichermasse, um eben möglichst eine technische Kühlung des Gebäudes in der Zukunft, im Moment kommen wir gerade noch ohne aus alle, aber wenn die Sommer noch länger werden und heißer werden, wird es um eine technische Kühlung gar nicht drum rum kommen. Und dann haben natürlich die Gebäude, die eine große Speichermasse haben, enorme Vorteile. Und dann muss der Energieberater natürlich sich mal einarbeiten in das Infrarot-Thema, weil das physikalisch und von der Thermodynamik natürlich ganz anders wirkt und auch erklärungsbedürftig ist dem Bauherren gegenüber. Das ist ja eigentlich eine ganz alte Heizungsart, Infrarotlampen kennt jeder, die Sonne kennt jeder, das Lagerfeuer, den Kachelofen, also Infrarotstrahlung ist ja den Menschen bekannt, auch die Infrarotheizung ist schon uralt. Aber sie ist aus dem Gedächtnis der Menschen verschwunden und deswegen müssen sich natürlich die Energieberater thermodynamisch dort mal reinlesen, Strahlung, Konnektor, Wärmeleitung, diese Gesetzgebung noch mal durchgehen. Wie funktioniert das? Was macht das mit der Strahlungswärme, die Wohlfühl-Temperatur, die Wände, warme Wände, dass kein Schimmel-Problem ist, diese gleichmäßigen Wärmeverteilung und dann auch die Frage: Der ganze Raum speichert dann ja die ganze Wärme, was wiederum auf die Lüftung einen Einfluss hat, also wenn die Wärme gespeichert ist im ganzen Raum und in den Möbeln und ich mache eine Stoßlüftung, dann bringe ich ja kaum Energie weg. Dort muss man sich fachlich noch mal ein bisschen austauschen und dann kann man eigentlich differenziert beraten und sagen, ok, im Neubau mit einer guten Gebäudehülle ist die Infrarotheizung wirklich eine gute Option.

00:27:15: Grund-Ludwig: Sie haben das Thema Kühlung angesprochen, da haben Sie aber mit der Infrarotheizung ein Problem im Vergleich zur Wärmepumpe?

00:27:22: Leukefeld: Joah, klar. Aber die Wärmepumpe ist ja sozusagen, läuft umgedreht im Sommer, also wenn ich Wärmepumpen zum Kühlen nehmen würde, dann würde ich lieber eine Wärmepumpe mit Bohrung nehmen, um die Erde als Kältequelle zu nutzen und dann passiv zu kühlen. Haben wir hier in unseren Häusern auch drin, wir haben hier auch eine Fußbodenheizung und die ist einfach eine Bohrsonde, wir haben gar keine Wärmepumpe, wir haben nur eine 50 Meter Sonde und haben die an die Fußbodenheizung angeschlossen. Dann würde ich passiv kühlen. Aber, an sich muss ja der normale Wärmepumpen-Besitzer, der für 35.000 € investiert hat in sein Haus und dann in der Regel nicht mehr das Geld übrig hat, noch zusätzlich eine Photovoltaik-Anlage zu kaufen, der muss dann ja im Sommer den Strom aus der Steckdose ziehen und das ist absurd, obwohl das Dach voller Sonne ist.

00:28:18: Grund-Ludwig: Mit Infrarot können Sie gar nicht kühlen.

00:28:23: Leukefeld: Jaja, aber deswegen kommt es auf das Gesamtkonzept an. Wenn wir eine hohe Speichermasse im Gebäude haben brauchen wir per se keine aktive Kühlung. Das ist wieder dieses Thema Filter im Kopf einbauen und nicht am Ende die Kläranlage. Wenn ich so baue, dass ich die Gesetze der passiven Kühlung über die Bauphysik gar nicht beachte, dann muss ich mit Technik nachrüsten.

00:28:51: Grund-Ludwig: Das heißt, grundsätzlich anders bauen und dadurch den Kühlbedarf reduzieren?

00:28:57: Leukefeld : Richtig, genau. Wärmebedarf reduzieren, Kühlbedarf reduzieren. Weil den Gehirnschmalz, den ich dort reinstecke, der steht für 80 Jahre und bürgt ohne irgendwelche Pumpen und Steuerungen und unsere Großeltern wussten über diese Zusammenhänge mehr, also wusste mehr darüber und hatten schlechtere Baustoffe als wir heute.

00:29:19: Sprecher: Sie hörten einen Podcast zur Gebäudewende. Konzeption, Produktion und Redaktion: Pia Grund-Ludwig und Maximilian Winter. Bleiben Sie dran. Weitere Ausgaben unseres Podcasts unter www.geb-info.de, oder auf Spotify und iTunes.

Kommentare (1)

Birgit Merz

Tolle Eposide! Freue mich auf weitere Folgen 👍

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