Was bringt Wasserstoff für die Wärmewende im Gebäudesektor?

Shownotes

Im Rahmen der Wärmewende im Gebäudebereich ist eine der wichtigen Fragen, wie sich Energie erzeugen, speichern und optimal im Austausch mit anderen Sektoren wie Verkehr oder Industrie nutzen lässt. Dabei kommt grünem Wasserstoff eine wichtige Rolle zu. Er lässt sich nutzen, um Strom aus Erneuerbaren Energien zu speichern, der nicht sofort benötigt wird. In einigen Stadtquartieren erforscht die Stuttgarter Ingenieurgesellschaft EGS Plan, wie diese Koppelung unterschiedlicher Sektoren konkret funktionieren kann. Pia Grund-Ludwig spricht im Podcast Gebäudewende mit Tobias Nusser. Er ist für Konzeption, Planung und Umsetzung dieser Projekte mit verantwortlich.

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00:00:17: Sprecher: Gebäudewende – Ein Podcast des Gebäude-Energieberater im Gentner Verlag. Hintergrund und Meinung rund um die Wärmewende im Gebäudebereich. Wir sprechen mit Fachleuten über Quartiers- und Gebäudekonzepte, die Neubauten und Gebäudebestand tauglich machen für den Klimawandel. Und es geht um Ideen, Lösungen, Produkte und Forschungsansätze für klimafreundliches Wohnen. Unser Thema heute: Was bringt Wasserstoff für die Wärmewende im Gebäudesektor? Im Rahmen der Wärmewende im Gebäudebereich ist eine der wichtigen Fragen, wie sich Energie erzeugen, speichern und optimal im Austausch mit anderen Sektoren wie Verkehr oder Industrie nutzen lässt. Dabei kommt grünemWasserstoff eine wichtige Rolle zu. Er lässt sich nutzen, um Strom aus Erneuerbaren Energien zu speichern, der nicht sofort benötigt wird. In einigen Stadtquartieren erforscht die Stuttgarter Ingenieurgesellschaft EGS Plan, wie diese Koppelung unterschiedlicher Sektoren konkret funktionieren kann. Pia Grund-Ludwig spricht im Podcast Gebäudewende mit Tobias Nusser. Er ist für Konzeption, Planung und Umsetzung der Projekte mit verantwortlich.

00:01:19: Pia Grund-Ludwig: Hallo Herr Nusser, ich grüße Sie. Guten Morgen.

00:01:22: Tobias Nusser: Guten Morgen, Frau Grund-Ludwig.

00:01:23: Grund-Ludwig: Herr Nusser, wir wollen uns unterhalten über das Thema Wasserstoff im Gebäudebereich. Sie setzen in Ihren Projekten von EGS auf die Speicherung von PV-Strom aus Quartieren in Form von Wasserstoff. Können Sie vielleicht zum Einstieg mal kurz erklären, wie genau das funktioniert?

00:01:43: Nusser: Gerne der Konzeptansatz bei uns in den Projekten Wasserstoff im Quartier zu nutzen, hat folgenden Hintergrund. Wir wollen mit diesem Konzeptansatz einen Beitrag zum Klimaschutz und zur Erreichung der Energiewendeziele leisten. Das heißt konkret, wenn wir übergeordnet mal die deutschlandweiten Ziele anschauen, wir müssen irgendwo in diesem Bereich von 100 Prozent Erneuerbaren kommen und das bedeutet, dass wir die erneuerbare Stromerzeugung vor allem im Bereich Windkraft oder Photovoltaik um den Faktor 4 bis 5 ausbauen müssen. Das heißt, wir haben dann irgendwann in unserem Energiesystem viel erneuerbaren Strom, der aber vielleicht nicht zeitgleich zur Verfügung steht zur Bedarfsdeckung. Und hierbei spielt Wasserstoff eine zentrale Rolle. Wasserstoff ist sozusagen ein Schlüsselelement der Energiewende. Was kann ich mit dem Wasserstoff machen? Also zunächst einmal kann dieser erneuerbare Strom, den wir dann zur Verfügung haben, in Zukunft auch in großen Mengen in Form von Wasserstoff speicherbar gemacht werden und vor allem ganz wichtig für andere Sektoren nutzbar gemacht werden. Das heißt vor allem im Bereich Mobilität, Schwerlastverkehr oder auch im Bereich der Industrie, wo heutzutage eben kaum Wasserstoff aus fossilen Abgas hergestellt und genutzt wird. Wie funktioniert dieser Prozess? Wie kann aus erneuerbaren Strom Wasserstoff hergestellt werden? Da kommt die Technologie der Elektrolyse ins Spiel. Mit einem Elektrolyseur wird Wasser in seine Grundbestandteile Wasserstoff und Sauerstoff aufgespalten. Dazu brauche ich Strom als Input, als Energieträger. Und bei diesem Prozess fällt eben neben diesen beiden Produkten Wasserstoff und Sauerstoff eben halt auch viel Abwärme an und das ist dieser Ansatz, den wir bei uns in unseren Quartieren verfolgen. Wir wollen möglichst hoch eine Effizienz und eine effiziente Nutzung von dem erneuerbaren Strom erzeugen. Deswegen platzieren oder lokalisieren wir diese Wasserstofferzeugung in den urbanen Kontext. A, weil wir damit eine verbrauchsnahe Erzeugung von dem Wasserstoff erreichen, wir haben also nicht lange Versorgungsketten, sondern können dort, wo Wasserstoff zukünftig benötigt wird, in der Industrie, in Tankstellen etc. den Wasserstoff erzeugen und B ganz wichtig, wir können die Abwärme aus diesem Elektrolyseprozess für Wärmeanwendungen in den Quartieren in den Städten dann nutzbar machen.

00:03:52: Grund-Ludwig: Was ist denn jetzt dieser Vorteil gegenüber Batteriespeicher? Man würde eher, wenn man PV-Strom speichern will, an Batterien denken, die dann eine direkte Weiternutzung des Stroms für Gebäudewärme oder auch für E-Mobility erlauben würden. Warum verwenden Sie denn Elektrolyseure und Wasserstoff?

00:04:12: Nusser: Wir müssen hier einfach unterscheiden, sage ich mal die die unterschiedlichen Qualitäten und Eigenschaften der Stromspeichermedien oder -arten? Wenn wir klassische Stromspeicher, Batterien, ansprechen in Kombination mit PV-Anlagen, werden sie heutzutage in der Regel eingesetzt für eine Kurzzeit Speicherung. Also, das klassische Beispiel PV-Anlage auf einem Wohngebäude mache ich die Verschiebung von den PV-Überschüssen von der Mittagszeit in die Abendstunden und kann dann eben in den Nachtstunden, wo mir keine Photovoltaik Strom zur Verfügung stand steht, dann eben zeitversetzt über den Batteriestrom, dann diesen dann nutzbar machen. Der grüne Wasserstoff, den muss man vielleicht anders verstehen. Der wird, ich sage jetzt mal nicht primär als Speichermedium eingeordnet, sondern vielmehr als ein Energieträger für die Sektorenkopplung mit einer besonders hohen Klimaschutzwirkung. Ein originäres Ziel ist es dabei eben nicht nur erneuerbaren Strom zu speichern, sondern, sage ich mal, in anderen Sektoren fossile Energieträger zu substituieren. Wir sprechen hier im Bereich der Mobilität, vor allem in der Schwerlastmobilität, dass wir eben fossilen Diesel ersetzen wollen, oder im Bereich Industrie, wo eben der graue Wasserstoff zum Einsatz kommt, dass dieser durch den grünen Wasserstoff dann ersetzt werden kann. Also eher nicht dieses Thema der Kurzzeitspeicherung, sondern Nutzbarmachung des erneuerbaren Stroms für andere Sektoren.

00:05:29: Grund-Ludwig: Sie haben jetzt das Thema Sektorkoppelung, industrielle Nutzung, Logistik angesprochen, jetzt rückt ja Wasserstoff in den vergangenen Monaten auch bei der Gebäudewärme in der öffentlichen Diskussion in den Mittelpunkt als Ersatz für Erdgas, erneuerbare Energien quasi als Erdgasersatz. Ist das denn aus Ihrer Sicht auch ein sinnvolles Einsatzfeld für Wasserstoff?

00:05:50: Nusser: Es ist vollkommen richtig, dass in der aktuellen Diskussion genau dieses Thema aufgegriffen und auch verschiedentlich von unterschiedlichen Seiten dann auch bewertet wird. Man muss klar sehen, alles was in irgendwelchen Klimaplänen oder Klimaschutzgesetzen auf Bundes- oder Landesebene drinsteht, da gibt es entsprechende verbindliche sektorale Vorgaben für den Gebäudebereich, aber auch für den Wärmebereich. Um das mal konkret herunterzubrechen: Im Klimaschutzgesetz in Baden-Württemberg gibt es zum Beispiel für das Jahr 2040 eine Zielvorgabe, dass in den Kommunen eine klimaneutrale Wärme existieren soll. Das heißt, klimaneutrale Wärme bedeutet dort per Definition, dass ich keine fossilen Energieträger mehr einsetzen muss. Und dieses Ziel bedeutet in letzter Konsequenz eine Transformation von unserem aktuellen Versorgungssystem, wo eben die fossilen Energieträger, speziell auch im Wärmebereich, eine dezentrale Rolle einnehmen. Und dieser Transformationsprozess hat speziell im Bereich Wärme erst mal andere Technologien, die an erster Stelle stehen. Also, ich denke, wir sind uns da soweit einig, dass die erneuerbaren Energien zum Einsatz kommen müssen in Form von Wärmepumpen und verschiedenste Umweltenergien. Ob das jetzt die Geothermie ist, das Grundwasser, Außenluft, erneuerbare Energien in Bereichen Wärme kann auch die Biomasse sein, es kann da auch die Solarthermie sein. Und ganz wichtig in den Kommunen auch immer das Thema Abwärme. Abwärme ist per Definition als emissionsfrei eingestuft. Diese Systeme oder Energieformen sind sicherlich zu präferieren für dieses Ziel einer klimaneutralen Wärme und es wird aber viele Bereiche geben oder Anwendungsfälle, wo diese gerade genannten Optionen nicht zur Verfügung stehen, oder zum Beispiel Hochtemperaturanwendungen, die dann nur schwer mit Wärmepumpen dann zu bedienen sind. Da ist es dann sicherlich noch berechtigt, mit grünen Gasen auch im Wärmebereich dann zu arbeiten, um dieses Ziel auch Klimaneutralität auch zu 100 Prozent bereitzustellen. Das bedeutet am Ende, dass eben für diese wenigen Anwendungsfälle, wo wir keine anderen Optionen haben, der grüne Wasserstoff oder weitere grüne Gase dann ihre Berechtigung haben.

00:07:49: Grund-Ludwig: In der Gebäudewärme sehen sie aber eher andere, bessere Optionen?

00:07:53: Nusser: Genau da sehe ich wirklich die Wärmepumpen, die eine direkte elektrische Nutzung von dem erneuerbaren Strom ermöglichen, die effizientere und Klimaschutzwirksamere Lösung.

00:08:05: Grund-Ludwig: Sie probieren ja den Einsatz von Wasserstoff und der Abwärme aus Wasserstoff mittlerweile auch schon aus in den konkreten Projekten für die Versorgung mit Nahwärme. Was sind das denn für Quartiere und was sind die Voraussetzungen dafür, dass die von Ihnen angesprochene Sektorenkopplung zwischen Wasserstofferzeugung für Transport und Verkehr und die Nutzung der Abwärme kombinierbar und sinnvoll sind?

00:08:29: Nusser: Was sind die Voraussetzungen? Sie hatten es gerade in Ihrer Frage schon richtig genannt. Wir haben zwei Aspekte: Wir haben dieses Thema der verbrauchernahen Wasserstofferzeugung und wir haben das Thema der Abwärmenutzung. Und wenn wir jetzt auf den zweiten Punkt näher drauf schauen, um wirklich eine gute Abwärmenutzung hinzubekommen, benötigen wir geeignete Wärmesenkungen, die eine tatsächlich möglichst hohe anteilige Versorgung aus dieser Abwärme ermöglichen. Und da betrachten wir nicht nur die reinen Energiemengen, dass das eben irgendwo im hohen Bereich zwischen 50 bis 100 Prozent eine Deckung aus diesem Elektrolyseprozess dann erreichen ausreichen würde, sondern wir sprechen auch über die Systemtemperaturen, die hierbei eine wichtige Rolle spielen. Besonders geeignet sind hier Niederetemperatur-Wärmenetze oder -systeme in Gebäuden. Da die Elektrolyseabwärme, also die Abwärme aus dem Wasserstoff Herstellungsprozess, die beläuft sich auf rund 65 Grad, also ein Temperaturniveau das zwar niedrig ist, aber gerade bei den Niedertemperatur-Wärmesystemen eigentlich genau dem Temperaturniveau entspricht was dort benötigt wird. Also konkret in Neubauquartieren finden wir solche Rahmenbedingungen, die wir als besonders geeignet für diesen Konzeptansatz einstufen. Auf der anderen Seite Bestandsquartiere oder auch Quartiere mit hohen Systemtemperaturen zum Beispiel im Bereich Prozesswärme im Gewerbe oder Industrie, auch da kann die Abwärme aus der Wasserstofferzeugung sinnvoll integriert werden. Es ist vielleicht nicht direkt möglich, aber wenn ich eben den Umweg oder zusätzlich über Hochtemperatur-Wärmepumpen dann diese Abwärme auf das entsprechende Temperaturniveau anhebe, kann eben auch mit diesem Ansatz, sag ich mal, eine Kopplung diese Abwärmesysteme mit diesen Wärmeverbrauchen dann sehr gut realisiert werden.

00:10:09: Sprecher: Tobias Nusser von EGS Plan beschreibt, wie Quartiere beschaffen sein müssen, damit die Nutzung von Wasserstoff möglich ist und in einer Koppelung unterschiedlicher Sektoren energiepolitisch sinnvoll genutzt werden kann.

00:10:23: Nusser: Und zu dem erstgenannten Punkt, dass eben die Wasserstofferzeugung in den Quartieren eben diese räumliche Nähe zu den Wasserstoff-Verbrauchern gewährleistet sein muss. Das ist letztendlich Projektspezifisch zu bewerten. Das sollte immer gegeben sein, dass sich dort nicht zu lange Versorgungswege aufbauen muss. Im Idealfall schaffe ich es vielleicht sogar auch meine Wasserstoff-Verbraucher dann über eine Leitung und nicht über irgendwelche LKWs dann am Ende zu beliefern.

00:10:49: Grund-Ludwig: Das heißt eher städtische Quartiere als Quartiere auf dem Land?

00:10:52: Nusser: Auch im ländlichen Bereich mag es Unternehmen oder Strukturen geben, die Wasserstoff benötigen, und wenn das vorausgesetzt ist, dann hat es auch dort diese Konzeptansatz seine Berechtigung. Deswegen ja, wir müssen uns da nicht so weit Land Stadt irgendwo beschränken, sondern sage ich mal der Projektrahmen muss passen.

00:11:11: Grund-Ludwig: Aber wenn ich Sie richtig verstanden habe, eher in komplett neugebauten Quartieren und nicht in erster Linie in der Sanierung?

00:11:19: Nusser: Die Grundvoraussetzungen sind bei den Neubauquartieren besser, weil wir dort in der Regel eben diese Niedertemperatur-Wärmenetze oder Niedertemperatur-Systeme vorfinden, die einfach bessere Grundvoraussetzungen bieten, aber auch für den Bestand, wo ja letztendlich die große Herausforderung liegt für die Erreichung unserer Klimaschutzziele ist dieses System geeignet und hat sicherlich auch deswegen seine Berechtigung im Bestand.

00:11:44: Grund-Ludwig: Die Konzepte im Neubau setzen aber eine hohe Solarisierung, das heißt eine hohe Nutzung von Photovoltaik voraus. Funktioniert es denn in erster Linie dann bei Quartieren, bei denen die Gebäude in einer Hand sind? Oder wird es in der Regel dann über eine kommunale oder regionale PV-Pflicht für die Dächer geregelt?

00:12:06: Nusser: Ich hatte ja gesagt, das originäre Ziel, das wir mit diesen Konzepten verfolgen, ist ein Beitrag zum Klimaschutz und zur Erreichung der Energiewendeziele und die hohe Solarisierung ist erst einmal die zentrale Säule für zukunftsfähiges und klimaschonendes Bauen, das muss man einfach sehen. Die Erzeugung mit lokalem Photovoltaik Strom auf den Gebäuden im Quartier dient dabei primär tatsächlich erst mal der Versorgung der Gebäude. Also klassische Mieterstromkonzepte zum Beispiel. Wenn dann noch Überschüsse aus dieser lokalen Produktion zur Verfügung stehen würden, könnten sie für die Herstellung von dem grünen Wasserstoff eingesetzt werden. Also deswegen die hohe Solarisierung, sag ich mal, ist erst mal Grundelement für jegliches Bauen und für jegliches Gebäudeversorgungskonzept und kann sag ich mal additiv noch in diesem Kontext der Wasserstoffnutzung dann auch integriert werden. Es ist auch ganz wichtig immer zu sagen, dass bei diesen Konzepten mit dieser lokalen Wasserstoffproduktion ein Großteil oder der Hauptteil des erneuerbaren Stroms, den wir dafür benötigen, aus dem öffentlichen Netz letztendlich zu beziehen ist, weil eben die Quartiere, die mit ihrer entsprechenden baulichen und am Ende daraus auch resultierenden energetischen Dichte haben nicht lokal die erforderlichen Erzeugungspotenziale, um diese Mengen an Strom dann aus sich heraus bereitstellen zu können.

00:13:23: Sprecher: Eine hohe Solarisierung der Gebäude in neuen Quartieren ist zur Eigenversorgung gut, Überschuss kann in die Erzeugung von Wasserstoff gehen. In den städtischen Quartieren alleine kann dazu aber nicht ausreichend Strom erzeugt werden.

00:13:37: Nusser: Das heißt, ländliche Regionen werden zukünftig weiterhin erneuerbare Energien bereitstellen müssen. Windkraft, aber auch Solarfreiflächen, eben diese erforderliche Symbiose dann zwischen Stadt und Land, die muss hier neu gedacht werden. Und die Frage, ob das über eine kommunale PV-Pflicht erreicht werden kann dieses Ziel einer hohen Solarisierung, das wird ja heutzutage bereits in sowohl verbindlichen Vorgaben in städtebaulichen Kaufverträgen oder Konzeptvorgaben in so weit ja auch vorgegeben auch verbindlich vorgegeben. Dann gibt es sicherlich auch gesetzliche Regelwerke wie jetzt in Baden-Württemberg wieder das Klimaschutzgesetz. Dort gibt es eine Solarpflicht für Neubauten, Wohngebäude, Nicht-Wohngebäude es ist auch geplant für den Bestand das vorzugeben. Das ist sicherlich richtig, diese gesetzliche Regelung so als Maßgabe oder Orientierung zu verstehen. Grundsätzlich sollte aber der Ansatz sein, dass über entsprechende Anreize, das heißt entsprechende Förder- oder Vergütungsmechanismen und auch der Abbau von regulatorischen Hemmnissen, dass damit ein, wie soll ich es bezeichnen, ein investitionsfreudiges Umfeld geschaffen wird, die ich mal Lust macht, in die Solarisierung einzusteigen und damit wirklich einen Impuls zu setzen, damit wir mehr Photovoltaikanlagen in Gebäude als auch in Freiflächen Bereiche am Ende sehen.

00:14:55: Grund-Ludwig: Das heißt, das Konzept sieht so aus, dass in erster Linie die Quartiere mit Strom für die Haushalte versorgt werden. Und wenn Strom übrig ist, dann kommt der in den Elektrolyseur. Und damit sich das Ganze rechnet, muss aber auch PV-Strom von Außen in diese Quartiere?

00:15:12: Nusser: Genau für diese Wasserstofferzeugung in den Quartieren benötigen wird tatsächlich große Mengen von erneuerbaren Strom, der aus dem öffentlichen Stromnetz eben nicht rein aus den Quartieren, sondern auch von außerhalb bereitgestellt werden muss.

00:15:25: Grund-Ludwig: Jetzt haben Sie das Thema Mieterstrom angesprochen, das ist im Moment immer noch nicht so ganz einfach. Wie sehen denn konkret in Ihren Projekten die Geschäftsmodelle aus, die eine Nutzung des Stroms von den Dächern einmal zu Eigenstromnutzung aber auch zur Wasserstofferzeugung attraktiv und aus Sicht der Energiewende optimal machen?

00:15:44: Nusser: Ja, Sie haben ein Thema angesprochen, Thema Mieterstrom. Diese regulatorischen Hemmnisse sind oftmals abschreckend für Investoren, für Bauherren etc. Und das gilt sowohl für die klassischen Mieterstromkonzepte als auch eben diese Konzepte zu Wasserstofferzeugung im Quartier. Und konkret geht es ja dabei um diese Hürden bei der Versorgung über Grundstücksgrenzen hinweg. Oder wenn wir das öffentliche Netz oder den öffentlichen Raum nutzen für eine Versorgung. Das gilt es deutlich zu vereinfachen. Aber jetzt noch mal heruntergebrochen auf diese Frage: Wie können Betreibermodelle zur Wasserstofferzeugung in Quartieren aussehen? Was sind zentrale Erfolgsfaktoren, damit das funktioniert? Das kann man ja auf bis auf wenige Punkte herunterbrechen, was als Voraussetzungen vorliegen muss. Erstens muss eine Vermarktung von dem erzeugten grüner Wasserstoff im lokalen Umfeld möglich sein. Das heißt, es muss eine Nachfrage vorhanden sein und ich könnte im Idealfall diese Nachfrage über eine leitungsgebundene Versorgung realisieren. Der große Vorteil ist dabei, dass ich eben dieser Aufwand, wie es heutzutage gemacht wird, für eine Versorgung von Kunden im Bereich Wasserstoff über LKWs damit deutlich reduzieren kann. Dieser Logistik-Aufwand der macht rund die Hälfte des heutigen Wasserstoffpreises für die Endkunden aus. Und wenn ich diesen deutlich reduzieren kann, kann ich mit meinem erstmal teureren grünen Wasserstoff dennoch vielleicht wettbewerbsfähige Preise für meine Endverbraucher erreichen. Der zweite Punkt, der sicherlich bei diesem Konzeptansatz hilft, das auch erfolgreich umsetzen zu können, ist die Vermarktung von dem zusätzlichen Koppelprodukt, also der Abwärme, die bei diesem Prozess anfällt, die ja bisher eben nicht genutzt wird. Wir wollen die ja nutzen, wir wollen die vermarkten für die Wärmeversorgung in den Quartieren. Das bedeutet letztendlich für den Betreiber eine weitere Einnahmequelle. Und das darf man natürlich aber auch am Ende nicht zu hoch werden, sondern die Vermarktung von den grünen Wasserstoff, das wird am Ende die Haupteinnahmequelle für den Betreiber sein und die Abwärmeerlöse, die werden im Bereich knapp unter 10 Prozent von dem sich belaufen, was über die Wasserstofferlöse sage ich mal im Betrieb dann zu erwirtschaften wäre. So und was ich auch gesagt habe der dritte Punkt, was noch ein Erfolgsfaktor sein kann oder muss, der Bezug von dem erneuerbaren Strom. Wir brauchen viel Strom für die Erzeugung von dem grünen Wasserstoff. Das heißt, wenn dieser zu interessanten, attraktiven Konditionen bezogen werden kann, dann hilft es auch, sag ich mal, die Kosten für den Betreiber niedrig zu halten. Und der lokale PV-Strom, der wird eben nur einen kleinen Bruchteil liefern können. Und damit ist er auch nicht komplett entscheidend für die Wirtschaftlichkeit von diesem Geschäftsmodell. Aber ein wichtiger Faktor bezüglich der Akzeptanz für solche Systeme, wenn man wirklich diese Lokalverbindung herstellt, ist es sicherlich so weit dienlich, aber viel mehr muss man sich Gedanken machen bei diesen Konzepten, wo kann ich denn erneuerbaren Strom in den erforderlichen Mengen dann bekommen? Hilfreich sind sicherlich Abnahmeverträge mit erneuerbaren Erzeugungsanlagen, die sich im regionalen Kontext befinden. Wir haben bei unserem Projekt in der neuen Weststadt in Esslingen über die Betreibergesellschaft Green Hydrogen in Esslingen so gelöst, dass dort im regionalen Verbund, also über eine Windkraftanlage auf der Schwäbischen Alb ein Direktabnahme-Vertrag geschlossen wurde. Das heißt, ich habe wirklich planbare Strombezugskonditionen auf einem attraktiven Preisniveau erreicht. Mit dem kann ich arbeiten, mit dem kann ich planen. Und auch diese Kopplung mit einer regionalen erneuerbaren Quelle hilft auch, das Thema Akzeptanz für solche Systeme dann noch mal deutlich zu unterstützen.

00:19:15: Grund-Ludwig: Das bedeutet, dass es in Ihren Projekten eine eigene Betreibergesellschaft gibt und das nicht jetzt zum Beispiel bei den Stadtwerken oder bei den Baugenossenschaften im Quartier liegt?

00:19:25: Nusser: Also bei unseren Konzepten zu Wasserstofferzeugung in Quartieren haben wir immer eigene Betreibergesellschaften. Und die Integration oder Einbindung von lokalen Akteuren sehe ich auch als wichtiges Element. Bei unserem Projekt in der neuen Weststadt in Esslingen ist ja die Green Hydrogen Esslingen aktiv und die Gesellschafter der Green Hydrogen in Esslingen sind sowohl die Firma Polarstern AG, die dort auch lokaler Mieterstromversorger ist, als auch die Stadtwerke Esslingen, die damit sowohl als Netzbetreiber als auch Energieversorger eine wichtige Rolle spielen, auch um das Thema der lokalen Wasserstofferzeugung in der Kommunikation nach Außen voranbringen zu können, als auch auf der anderen Seite Verwertungsmodelle im Bereich des grünen Wasserstoffs, so wie wir momentan diese fahren, dass wir eben den grünen Wasserstoff heutzutage zuerst zunächst einmal in das Gasnetz einspeisen müssen, auch erst mal umgesetzt bekommen.

00:20:11: Grund-Ludwig: Ich würde jetzt gern noch mal auf die Bundesebene gehen zum Abschluss. Der nationale Wasserstoffrat arbeitet ja im Moment an der Studie zum Einsatz von Wasserstoff im Wärmesektor. Welche Erfahrungen aus Ihren Projekten sollte er denn dabei mitnehmen?

00:20:26: Nusser: Vielleicht erst mal übergeordnet noch mal diese Zielsetzung, was im Wasserstoffrat oder sag ich mal auf eben den Wirtschafts- und Klimaschutzministerien angestrebt wird. Wir haben ein Ziel bis 2030 rund 10 Gigawatt Elektrolyse-Leistung in Deutschland aufgebaut zu haben. Das ist eine enorme Aufgabe. Das ist Faktor 200 zu dem, was wir heute haben. Für die Erreichung der Klimaneutralitätsziele sind rund 50 bis 60 Gigawatt Elektrolyse-Leistung für den Zeitraum 2040, 2050 in unterschiedlichsten Studien mal berechnet worden. Und wenn man da jetzt mal diese Mengen anschaut, die bei diesen Erzeugungkapazitäten an Abwärme anfallen würden, das entspricht mit einer Menge von rund 140 Terawattstunden im Jahr dem heutigen Fernwärmeaufkommen. Und oberstes Ziel sollte eigentlich sein, diese emissionsfreie Abwärme für eben dieses Ziel einer klimaneutralen Wärmeversorgung in Deutschland nutzbar zu machen. Und um das hinzubekommen, ist sicherlich eine strategische, vorausschauende Energie und Wirtschaftspolitik erforderlich. Eben nicht nur auf Bundesebene, sondern am Ende auch auf Landesebene und auf kommunaler Ebene. Ich muss mir Gedanken machen: Wo kann ich diese Anlagen sinnvoll platzieren, damit eben diese großen Abwärmepotenziale nicht eben verpuffen, damit die in die Umwelt einfach nutzlos abgeführt werden, sondern dass ich damit eben andere Energieträger, die ich eigentlich für die Wärmebereitstellung nutzen müsste, dann substituieren könnte. So, und dann noch mal das ganz klare Plädoyer oder die wichtige Aussage, dass wir mit diesen Konzepten keine direkte thermische Verwertung von dem grünen Wasserstoff im Wärmesektor sehen. Sondern wir wollen die Abwärme nutzen. Die direkte Verwertung, Verbrennung von dem Wasserstoff, die sehen wir lediglich als sogenannte Ultima Ratio, wenn andere Wärmequellen und Abwärmepotenziale in Kommunen oder Quartieren nicht zur Verfügung stehen. Das ist auch sicherlich eine klare Aussage. Und welche Erfahrungen wir jetzt aus unseren Projekten damit beisteuern können, damit eben diese Konzepte mit diesem Fokus der Abwärmenutzung umgesetzt werden können. Wichtige Weichen sind dabei, sag ich mal, dass die regulatorischen Rahmenbedingungen verbessert werden, also das Thema Abbau von Umlagen, Entgelten für den Elektrolyse-Strom. Da ist man schon auf einem guten Weg. Und auf der anderen Seite müssen aber, sage ich jetzt mal fossile Energieträger effektiv bepreist werden, das heißt, die CO2-Bepreisung muss eine planbare Größe sein, eine wirksame Größe sein, damit ich eben mit dem grünen Wasserstoff auch wettbewerbsfähige Marktpreise erreichen kann. Und diese Konzepte, die können funktionieren. Wir haben da entsprechende Geschäftsmodelle jetzt auch in die Umsetzung gebracht, aber begleitend sicherlich auch noch ein ganz wichtiger Punkt ist es, dass wir, sage ich mal, das Commitment brauchen aus der Politik. Wir brauchen die Unterstützung aus der Kommunalpolitik, um diese Projekte umsetzen zu können, es ist sicherlich hilfreich, gerade in der Bauleitplanung, in der Schaffung von Baurecht frühzeitig Festlegungen verbindlich mit aufzunehmen, die eine Nutzung und die Möglichkeit nachher vom Betrieb von solchen Elektrolyse-Anlagen auch in Mischgebieten, Gewerbegebieten dann auch ermöglichen und was wir auch gesehen haben, alles was wir hier vorhaben, funktioniert noch nicht ohne Fördermittel. Wir brauchen jetzt noch investive Unterstützung bei diesen Projekten, damit die noch in heutiger Zeit hoch investiven Komponenten wie Elektrolyse auch tatsächlich sinnvoll und wirtschaftlich betrieben werden können. Da würden wir sicherlich auf Bundesebene oder Landesebene noch in den nächsten Jahren angewiesen sein, dass wir hier entsprechende Förderprogramme zur Verfügung haben.

00:23:54: Grund-Ludwig: Haben Sie denn den Eindruck, dass dieser breite Ansatz, den Sie skizzieren, vom nationalen Wasserstoffrat so auch gesehen und erkannt ist?

00:24:03: Nusser: Ich denke, dass ist soweit auch beim Wasserstoffrat auf dem Schirm. Also, es gibt verschiedenste Ansätze, auch diese dezentralen Wasserstoffprojekte mit entsprechend positiv zu werten. Es gibt von der Dena Wirtschaftsministerium entsprechende Arbeitsgruppen, die genau diese Konzepte unterstützen. Man muss sich aber auch klar sein, das was wir jetzt mit diesen Quartierskonzepten aufgezeigt haben, jetzt die ersten Schritte gemacht haben in Esslingen. Dort haben wir eine Elektrolyseur mit einer Leistung von einem Megawatt gebaut. Wir sind jetzt in den nächsten Quartieren dran, das hoch zu skalieren. Wir sprechen dann von Elektrolyseuren im Bereich von 10 Megawatt. Die sind natürlich erst mal teurer als die wirklich Großanlagen im Bereich von 100 Megawatt oder 200 Megawatt, das sind wirklich die großen Anlagen, die in Deutschland momentan konzipiert werden. Die haben natürlich entsprechende Skaleneffekte, dass die mit niedrigeren Investitionskosten pro Megawatt gebaut werden können und damit auch am Ende den Wasserstoff günstiger anbieten können. Das ist nur eine Frage bzw. welche Mischung werden wir am Ende vorfinden? Wir sagen ganz klar mit diesen dezentralen Konzepten, wo wir eben diese hohe Effizienz erreichen, können wir eine viel bessere Klimaschutzwirkung entfalten. Und das ist letztendlich auch nur eine politische Aufgabe zu entscheiden, wie dann unser Nichts nachher aussehen wird. Zwischen diesen Großanlagen, aber auch den vielen kleinen dezentralen Anlagen, die eben ihre Stärken entsprechend durch diese Verbrauchernähe und diese hohe Effizienz ausspielen können.

00:25:25: Grund-Ludwig: Okay, Herr Nusser, danke Ihnen sehr für den Input, waren super Überblick zum Thema Wasserstoff im Wärmebereich.

00:25:31: Nusser: Gerne.

00:25:32: Sprecher: Sie hörten einen Podcast zur Gebäudewende. Unser Gesprächspartner war Tobias Nusser von der Stuttgarter Ingenieurgesellschaft EGS Plan. Redaktion: Pia Grund-Ludwig, Sprecher: Oliver Barner. Schnitt: Carolina Bergedieck. Bleiben Sie dran. Weitere Ausgaben unseres Podcasts unter www.geb-info.de, auf Spotify oder iTunes.

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