Cradle-to-Cradle: So sieht Gebäude-Design für einen positiven Fußabdruck aus

Shownotes

Nora Sophie Griefahn ist geschäftsführende Vorstandsfrau und Mitgründerin der Cradle to Cradle NGO. Cradle to Cradle steht für eine Denkschule und ein Designkonzept, das Wert legt auf die Wiederverwendbarkeit von Ressourcen. Griefahn koordiniert die politische, wissenschaftliche und organisatorische Arbeit der Organisation. Es könne nicht länger darum gehen, die schädlichen Einflüsse menschlichen Handels zu minimieren, so das Credo der NGO-Chefin Griefahn. Ziel müsse vielmehr sein, einen positiven Fußandruck zu hinterlassen. Griefahn ist es deshalb wichtig, dass der Ansatz Cradle-to-cradle nicht produktbezogen ist, sondern ein neues Designkonzept beinhaltet. „Wie können wir ein Gebäude so machen, dass es ist wie ein Baum, eine Stadt so machen, dass sie so ist wie ein Wald, dass sie Biodiversität schafft, den Boden reinigt, die Luft säubert, Lebensraum bereitstellt und positive Mehrwerte auf ganz vielen verschiedenen Ebenen darstellt,“ beschreibt Griefahn das Prinzip. Im Baubereich bedeutet dies, dass nicht nur Wert gelegt wird auf das Thema Wohngesundheit der verbauten Produkten, sondern dass auch darauf, wie diese sich so verbauen lassen, dass sie wieder ausgebaut und weiter verwendet werden können. Dazu gehört für die Cradle-to-cradle-Expertin auch die digitale Dokumentation nicht zur zu den Produkten selbst, sondern auch zur Einbausituation.

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00:00:17: Sprecher: Gebäudewende – Ein Podcast des Gebäude-Energieberater im Gentner Verlag. Hintergrund und Meinung rund um die Wärmewende im Gebäudebereich. Wir sprechen mit Fachleuten über Quartiers- und Gebäudekonzepte, die Neubauten und Gebäudebestand tauglich machen für den Klimawandel. Und es geht um Ideen, Lösungen, Produkte und Forschungsansätze für klimafreundliches Wohnen. Unser Thema heute: Cradle to Cradle, ressourcenspare nde Designkonzepte für den Baubereich. Nora-Sophie Griefahn ist geschäftsführende Vorstandsfrau und Mitgründern der Cradle to Cradle NGO. Cradle to Cradle steht für eine Denkschule und ein Designkonzept das Wert legt auf die Wiederverwendbarkeit von Ressourcen. Griefahn koordiniert die politische, wissenschaftliche und organisatorische Arbeit der Organisation. Im Gespräch mit Pia Grund-Ludwig, Chefredakteurin des Gebäude-Energieberater, erklärt sie die Relevanz des Konzepts für den Gebäudesektor.

00:01:13: Pia Grund-Ludwig: Frau Griefahn, grüße Sie schön, Sie zu hören. Unser Thema heute ist das Thema Cradle to Cradle, die Wiederverwertung von Produkten, vor allem im Baubereich. Können Sie mir vielleicht noch mal kurz erklären, wie Sie überhaupt zu dem Thema Cradle to Cradle gekommen sind?

00:01:30: Nora-Sophie Griefahn: Ja, hallo, vielen Dank für die Einladung zu dem Thema, natürlich. Ich bin Umwelt-Wissenschaftlerin und hab mich natürlich viel mit verschiedenen Themen auseinandergesetzt der Nachhaltigkeit. Und wenn man so darüber nachdenkt, was es alles für Konzepte gibt und auch die Perspektive, dass man, das wir momentan versuchen in der Wirtschaft vor allem unseren schädlichen Einfluss zu minimieren, dann kommt man doch nach relativ kurzer Zeit darauf, dass Cradle to Cradle eigentlich die logische Perspektive sein müsste, dass wir einen positiven Fußabdruck hinterlassen, dass wir gerade nicht nur versuchen, weniger schlecht zu sein, sondern dass wir wirklich richtig gut sein wollen. Dass wir das, was wir alles schon zerstört haben, nicht nur ein bisschen weniger aufhalten, sozusagen die Zerstörung, sondern dass wir uns wirklich noch mal überlegen, wie wir alles ganz anders machen können, ganz neu machen können und da auch positiv sein können. Und aus meiner Perspektive gibt es sozusagen da gar nicht so unbedingt eine Alternative. Wenn man doch irgendwie hier auf der Erde ist und eigentlich auch gerne hier ist, dann muss man doch quasi die Perspektive haben, dass man sagt, ich möchte am Ende, dass es gut war, dass ich hier war und dass ich auch einen positiven Beitrag dazu geleistet habe, hier auf der Erde.

00:02:40: Grund-Ludwig: Was genau ist denn das Prinzip von Cradle to Cradle Produkten?

00:02:44: Griefahn: Na ja, Cradle to Cradle geht ja gerade nicht nur auf Produkte, sondern ist sozusagen diese Denkschule zu sagen, wir wollen einen positiven Beitrag leisten, wir wollen irgendwie gucken, wie können wir Dinge so gestalten, dass sie halt richtig gut sind und nicht nur weniger schlecht und die Menschen als Chance dafür zu sehen. Und das Cradle to Cradle Designkonzept setzt das dann wiederum sozusagen in eine Praxis um und zeigt auf, dass wir Produkte so gestalten können, dass sie entweder in biologische Kreisläufe gehen können und also für die Biosphäre gemacht sind oder sozusagen aus dieser Biosphäre rausgenommen werden und in einer Technosphäre zirkulieren können und dort immer wieder Nährstoff für etwas Neues werden. Also wieder sozusagen die Möglichkeit bereitstellen, diese Materialien immer wieder zu verwenden und im Kreislauf zu führen und dabei Produkte zu nutzen, Materialien zu nutzen, die gut sind für Mensch und Umwelt, die gerade nicht nur weniger schlecht sind, sondern positiv definiert sind und die dann auch keinen Schaden anrichten, sondern am besten noch der Umwelt und den Menschen helfen. Und wenn man das auf Bauprodukte bezieht, dann ist das natürlich sozusagen sich anzugucken wie kann ein Gebäude vielleicht so sein, dass es nicht nur einfach ein Kasten ist, in dem wir Menschen irgendwie vor Regen und schlechtem Wetter geschützt sind, sondern wie können wir ein Gebäude so machen, dass es ist wie ein Baum, eine Stadt so machen, dass sie so ist wie ein Wald, also dass sie einen positiven Beitrag leistet, dass sie Biodiversität schafft, den Boden reinigt, die Luft säubert, Lebensraum bereitstellt und halt sozusagen positive Mehrwerte auf ganz vielen verschiedenen Ebenen darstellt. Wenn man jetzt sozusagen ein Gebäude anguckt, besteht das aus ganz vielen verschiedenen Bauprodukten. Und auch die müssen so designt sein, dass sie nach diesen Cradle to Cradle Prinzipien funktionieren, dass sie gesund sind, dass sie so designt sind, dass am Ende klar ist, wie sie wieder zurückkommen in Kreisläufe und dass sie ganz klar für das Nutzungsszenario auch sich ja überlegt worden sind, designt worden sind. Und dann muss ich diese Bauprodukte aber natürlich auch noch in der Form in mein Gebäude einbauen, so dass am Ende ich auch erstens sie halt nicht einfach alle irgendwie miteinander verklebe und darüber die Chance des Auseinandernehmens erschwere. Und auf der anderen Seite muss ich natürlich auch ganz klar digital festhalten, wo ich welches Bauprojekt wie verbaut habe, um dann am Ende die Materialien nach der Nutzungsdauer auch wieder rausnehmen zu können und so das Gebäude zum Rohstofflager zu machen, mit dem ich sozusagen die Rohstoffe für das nächste Gebäude dann schon direkt vor Ort habe.

00:05:32: Grund-Ludwig: Das ist jetzt ein Thema, was vor allem im Neubau oder in der grundlegenden Sanierung greift, das ist ja aber nicht die Regel. Was geschieht denn mit Cradle to Cradle Konzepten, in der ich sage mal ganz normalen Gebäudesanierung? Wo kommen die da zum Einsatz?

00:05:50: Griefahn: Also gerade natürlich ist das ist ein ganz wichtiger Punkt, den Sie da nennen, weil wenn wir sehen, wie viel an Gebäuden ja schon da ist und wenn wir über 2050 immer reden, dann wissen wir ja, dass 70 Prozent der Gebäude, über die wir 2050 sprechen, jetzt schon da sind und natürlich geht es dann ganz stark auch um die Sanierung. Und natürlich können wir in dem Zuge nicht direkt alles nach Cradle to Cradle bauen, weil die Dinge sind schon da. Aber wir können natürlich, wenn wir dann unsere Gebäude sanieren, wenn wir sie umbauen, wenn wir sie ausstatten, darauf achten, dass wir dort Cradle to Cradle Materialien verwenden und dass wir auch diese Konzepte, das Wo setzen wir sie ein? Das Material der Perspektive, der Kreislaufschließung von Materialien, dass wir die halt auch gleich alle mitdenken. Wir haben hier zum Beispiel in Berlin das Cradle to Cradle Lab saniert oder gebaut, das ist ein Plattenbau aus den 80er Jahren DDR Zeiten, wo wir gesagt haben, wir zeigen hier das Cradle to Cradle auch im Bestand möglich ist, wo man sehen kann, sozusagen von den Decken über die Fußböden, über die Wände bis hin zu Elektrounterverteilung oder auch der Fassade. Das ist schon ganz, ganz viele Möglichkeiten gibt, die nach Cradle to Cradle einzubauen und danach auch zu planen. Und auch für Bestandsgebäude ist es natürlich möglich, dass das ich alles was ich jetzt noch neu dazu füge, dann auch digital erfasse und genau weiß, wo das wie dann verbaut wurde, weil der Großteil unserer Gebäude, der variiert ja immer. Ich meine, das was stehen bleibt, sind halt sozusagen zum Großteil einfach nur die die Wände. Aber vieles was das Gebäude eigentlich ausmacht, wechselt ja regelmäßig. Und genau das dann auch aufzunehmen und zu wissen, wo was da wie verbaut ist, hilft natürlich enorm, um dann auch die Kreisläufe an der Stelle zu schließen.

00:07:36: Sprecher: Die Nutzung wiederverwertbarer Materialien und ein Einbau, der sich rückgängig machen lässt, sind auch in der Sanierung tragfähige Konzepte.

00:07:44: Grund-Ludwig: Sie haben jetzt die Sanierung Ihres eigenen Gebäudes angesprochen. Haben Sie da mal einen Kostenvergleich angestellt zwischen einer konventionellen Sanierung und Ihren Konzepten?

00:07:53: Griefahn: Wir haben das an der Stelle hier sehr exemplarisch gemacht und haben natürlich sozusagen in allen Räumen auch unterschiedliche Materialien eingebaut, um wirklich sozusagen zu zeigen, was alles schon möglich ist. Deswegen ist es eher ein Leuchtturmprojekt, an dem man sozusagen sich inspirieren lassen kann und kann jetzt nicht direkt das vergleichen mit einem sozusagen konventionellen Ausbau. Aber es ist so, dass viele dieser Produkte, die wir hier eingebaut haben, nicht teurer sind als vergleichbare Produkte, die nicht Cradle to Cradle sind. Das heißt, das muss nicht teurer sein. Was momentan halt dann vielleicht teurer ist, ist der Aufwand, sich die Gedanken zu machen, was mache ich denn jetzt eigentlich? Und die Innovationskraft sozusagen am Anfang zu haben. Denn wenn ich mir erst mal Gedanken machen muss, wie kann ich das dann vielleicht nach Cradle to Cradle machen? Dann habe ich natürlich damit einen Aufwand und der kostet natürlich momentan auch mehr. Und es ist eher das, was sozusagen generell das ist, was vielleicht in Cradle to Cradle Projekten momentan auch noch zu Mehrkosten führen kann. Was aber, wenn man es sich sozusagen im Ganzen ausrechnet, oft gar nicht so ist, dass diese Kosten dann tatsächlich wirklich mehr sind, weil ich über die Nutzungsdauer vielleicht große Einsparungen habe und damit dann schlussendlich doch gar nicht das teurere Produkt habe, nur in der Erstanschaffung oder halt durch den die höheren Kosten des mir die Gedanken dazu zu machen und diese Innovationskraft reinzubringen. Aber wenn ich dann weiß, ich habe das Produkt viel länger verwendet oder ich kann sogar die Materialien am Ende wieder zurückgeben, bekomme dafür noch Geld zurück, habe ein Rohstofflager, habe Energie eingespart, habe sozusagen auf ganz vielen Ebenen dann am Ende einen positiven Cashflow. Dann sehe ich und da gibt es Beispiele, vor allem das Beispiel des Rathauses in Venlo zum Beispiel, das nach Cradle to Cradle gebaut wurde und die rechnen konnten, dass sich dieses Gebäude schon nach drei Jahren dann positiv rechnet. Und das ist natürlich auch etwas, wo man sagen muss, das ist vielleicht nicht unbedingt interessant für einen Investor, der nur bis zu dem Moment seine Kosten kalkuliert, bis er das schlüsselfertig übergeben kann. Aber gerade zum Beispiel für die kommunale Hand oder für Bauherren, die eine langfristige Perspektive mit dem Gebäude planen, für die wird das dann natürlich noch mal viel interessanter, wenn Sie sehen, dass Sie schon nach drei Jahren einen positiven Cashflow kommen, weil dann lohnt es sich vielleicht auch, am Anfang die Mehrkosten und mehr Mühen in Kauf zu nehmen.

00:10:15: Sprecher: Cradle to Cradle ist vor allem für diejenigen Bauherren und Kommunen spannend, die ein Gebäude langfristig benutzen wollen.

00:10:22: Grund-Ludwig: Was würden Sie denn aus der eigenen Erfahrung heraus sagen? Wo hat das denn bei Ihnen am Bau gut funktioniert? Und was war schwierig, auch in Zusammenarbeit mit den Handwerkern, die Sie hatten?

00:10:31: Griefahn: Ja, es war schon so, dass es sozusagen sehr viel Zeit gebraucht hat, diese ganzen Abstimmungen zu machen. Wir haben viele Cradle to Cradle Materialien dann hier eingebracht. Aber wir brauchten schon jemanden, der hier sozusagen vor Ort konkret die Bauleitung dann gemacht hat und wirklich auch mit allen Handwerkern daran gearbeitet hat. Und das war schon ein Aufwand, der vielleicht sozusagen in so einem Umfang für kleinere Bauvorhaben auch schwierig ist zu realisieren, das dass man jemanden hat, der wirklich kontinuierlich guckt, was machen die Handwerker da und wie bauen sie denn diese tollen Materialien dann auch ein? Weil wenn ich einen Fußboden nach Cradle to Cradle einbaue, dann muss ich natürlich den auch so einbauen, dass meine Materialien auch sozusagen danach wieder in die Kreisläufe gehen können. Das bedeutet, ich muss den so einbauen, dass ich ihn nur schwimmend verlege und damit dann auch wieder rausnehmen kann aus dem Gebäude und in einem späteren Fall Nutzungszenario dann wieder vielleicht woanders einsetzen kann oder wieder auf arbeiten kann oder halt zumindest das Material dann wiederverwenden kann. Und das funktioniert natürlich nicht, wenn dieser Fußboden dann zum Beispiel einfach eingeklebt wird mit dem Kleber, den der Handwerker vielleicht gerade noch zufällig über hatte. Das heißt darauf zu achten und natürlich auch das waren bei uns sozusagen Schwierigkeiten, wo dann gerade der Fußboden schwimmend verlegt wurde und man dann da doch irgendwie eine Stelle hatte, die wackelte und der Handwerker dann sagte: Och, es macht nichts, ich mache einfach ein bisschen Bauschaum runter und wir natürlich die Hände über dem Kopf zusammengeschlagen haben gesagt: Nein, auf keinen Fall Bauschaum. Das war ja genau nicht der Sinn der Sache. Und das bringt dann an der Stelle natürlich irgendwie Aufwände mit sich, wenn so was passiert. Genauso, wenn man darüber spricht, wie die Fenster dann zum Beispiel nicht einfach eingeschäumt wurden, sondern eingeschraubt sind, so dass man sie auch wirklich einfach wieder demontieren kann und darüber dann in Kreisläufe zurückbringen kann und dabei quasi kein Müll entsteht. Auch das sind handwerkliche Künste, die halt schon eigentlich da sind aber heute oft in der Praxis nicht mehr so umgesetzt werden.

00:12:29: Grund-Ludwig: Heißt aber auch mehr Handarbeit und damit mehr Arbeitszeit?

00:12:34: Griefahn: Nicht unbedingt. Also das Fenster an der Stelle war für die nicht wirklich, dass sie gesagt haben, es ist jetzt viel mehr Arbeit, aber wahrscheinlich einen Tick mehr Arbeitszeit schon. Vor allem so, wie ich das vorher auch sagte, weil er sich erst mal damit beschäftigen müssen und weil sie halt erst mal noch mal sich die Gedanken machen müssen, dass man das ja anders machen kann, oder beziehungsweise dass man ja eigentlich auch weiß, dass es anders geht.

00:12:55: Grund-Ludwig: Wie skalierbar sind denn die Lösungen, die sie bei sich im Gebäude verwenden. Ich stelle mir zum Beispiel die Frage bei der Dämmung mit Seegras. Das ist dann nicht in großen Mengen wirklich verfügbar. Ist es denn ein sinnvoller Cradle to Cradle Ansatz dann mit solchen Materialien zu arbeiten?

00:13:11: Griefahn: Ja, also man muss sagen, es gibt. Wir haben ja hier zeigen wollen, was das alles für viele verschiedene Varianten gibt, deswegen haben wir sozusagen auch so was wie eine Seegras-Dämmung hier genutzt und auch die gibt es schon in sehr großen Mengen. Wird eigentlich wird nur gar nicht so groß in den großen Mengen verarbeitet und verwendet. Aber es gibt ja auch andere Dämmsysteme, die nach Cradle to Cradle funktionieren, die man auch im größeren Maßstab verwenden kann und die zum Teil auch sozusagen eingesetzt wurden, die dann aber auch noch sozusagen nicht in der Masse so umgesetzt werden. Ich glaube aber schon, wenn man sich anguckt, was alles an Vielfalt hier eingesetzt wurde, dass vieles davon schon auch im Massenmarkt funktioniert und dass eigentlich das ja nur eine Frage der Zeit ist, wann sich das auch umsetzt. Gerade wenn man sieht, dass jetzt auch mit den Anforderungen der EU Taxonomie und vielen Stellen, an denen sozusagen auch Druck kommt, zu einer nachhaltigeren Bauweise es eigentlich nur eine Frage der Zeit ist, wann sich das im großen Maßstab umsetzt und dann wird es auch wiederum noch günstiger, weil dann ab dem Moment, wo es halt Standard ist und aus der Nische rauskommt, sich diese Dinge natürlich auch besser finanzieren lassen, denn die meisten Dinge davon sind jetzt auf Materialseite her gar nicht unbedingt teurer, sondern wie gesagt, die Innovationskosten sind da mit drin, beziehungsweise auch, dass sie noch nicht so groß skaliert sind und natürlich dann in kleinerer Stückzahl auch erst mal teurer sind, als wenn man es in großen Mengen produziert.

00:14:34: Grund-Ludwig: Sie haben vorhin als Leuchtturm das Projekt in Venlo angesprochen, was jetzt seit, glaube ich, ein bisschen mehr als acht Jahren schon in Betrieb ist. An welchen Zahlen machen Sie denn fest, dass sich dieses Gebäude rechnet?

00:14:47: Griefahn: Venlo hat selber dort relativ viele Studien zu rausgebracht und die haben sozusagen berechnet, dass sie ungefähr drei Millionen extra investiert haben, um das nach Cradle to Cradle zu bauen. Und sie haben dann sozusagen berechnet, dass sie diese drei Millionen Euro schon nach drei Jahren sozusagen an Einsparungen raus hatten. Das haben sie dadurch zum Beispiel erreicht, dass sie ihr Gebäude als Materialbank aufgestellt haben und diese Materialien sozusagen ja schon was wert sind. Das heißt, sie mussten, als sie den Kredit aufgenommen haben, hatten sozusagen schon ein Eigenkapital, was viel größer war drin, weil sie einfach den Restwert der Materialien schon mit reingenommen haben. Das sind Modelle, die sich einfach in der Masse noch gar nicht durchgesetzt haben und sich natürlich sehr innovativ sind und dann auch zu ganz anderen Finanzierungsmodelle führen.

00:15:37: Grund-Ludwig: Akzeptiert eine normale Bank dieses Argument?

00:15:39: Griefahn: Nicht jede Bank jetzt. Das ist gerade ein Argument, was aber ganz stark im Finanzsektor auch diskutiert wird und was sehr von sehr vielen Banken als sehr spannend empfunden wird, wo aber viele Banken einfach noch gar nicht so weit sind. Also da müssen wir sozusagen jetzt weiter zulegen dran, aber, an sich, äh sozusagen sehen. Also die Argumentation funktioniert, wenn man sie sozusagen im Bankenwesen durchbricht. Sie ist halt nur noch nicht standardisiert und sie haben auch an ganz vielen anderen Stellen sozusagen einfach starke Einsparungen gehabt. Die brauchen durch das Gebäude, so wie es gebaut ist, keine Klimaanlage in dem Gebäude, sondern haben sozusagen einen natürlichen Luftzug dadurch, saugen die Luft oben an und dann wird die einfach sozusagen die eine natürliche Belüftung, weil mit so einem Termiten-Schornstein einmal durch das Gebäude geleitet. Das spart auch unglaubliche Mengen an Energie, auch die Form, wie es halt gebaut ist, da gibt es also viele Punkte an denen sozusagen in der Nutzungsphase stark eingespart werden kann. Und das wiederum führt dann jetzt schon zu den positiven Cashflow. Und die haben berechnet, dass sie über die Nutzungsdauer von 40 Jahren auf jeden Fall über 16 Millionen Euro Einsparungen haben werden. Darüber, dass sie das nach Cradle to Cradle gebaut haben.

00:16:49: Das Rathaus im niederländischen Venlo wurde nach Cradle to Cradle Prinzipien gebaut. Es gilt als Vorzeigeprojekt auch für Einsparpotenziale im Lebenszyklus.

00:16:59: Grund-Ludwig: Sie haben von drei Millionen Mehrkosten gesprochen. Auf welche Quadratmeterzahl bezieht sich das? Können Sie das sagen?

00:17:04: Griefahn: Das kann ich Ihnen dafür nicht genau sagen, wie viele Quadratmeter das hat. Das ist ein Gebäude, was als Verwaltungsgebäude gilt und was Sie aber schon gemacht haben ist, dass Sie sozusagen eine große Einsparung auch darüber haben, dass Sie durch neue Nutzungskonzepte dann auch die Fläche zu dem von vorher um 30 Prozent reduzieren konnten. Und das liegt aber natürlich auch daran, dass man halt anders baut, nicht mehr lange Gänge braucht, andere Auslastungskonzepte bauen kann, wenn man viel flexibler ist. Und viele haben sich dann auch gefragt in der Verwaltung wie kann das denn funktionieren? Dann möchte doch jeder irgendwie seinen Schreibtisch haben. Und wie funktioniert das mit so anderen Nutzungskonzepten? Aber die Menschen, die berichten, also werden auch befragt und die gehen sehr, sehr gerne da zur Arbeit, finden das einfach irgendwie ein echt tolles, eine tolle Arbeitsumgebung. Und dann sind ihnen sozusagen diese neuen Konzepte da auch sehr lieb, weil sie halt dafür viel mehr Flexibilität auch schaffen, weil das halt sozusagen alle möglichen Szenarien gibt, in dem man sich dann rein buchen kann und sie gleichzeitig einfach merken, dass die Luft in dem Gebäude besser ist als die Luft, die draußen vor der Tür ist. Und das ist natürlich gerade in so einem Kontext, in dem man in einem Büro sozusagen den ganzen Tag verbringt, sehr spannend.

00:18:17: Grund-Ludwig: Jetzt sind ja viele unserer Hörerinnen und Hörer speziell unterwegs in der Energieberatung. Wo sehen Sie den Schnittstellen zwischen dem Thema Energieberatung und Cradle to Cradle?

00:18:28: Griefahn: Ja, ich hatte das gerade ja schon genannt, dass es an an den Stellen natürlich starke Schnittstellen gibt zu Energieeinsparungen, die man über so ein Projekt zum Beispiel an der Stelle haben kann, wenn man ein Gebäude ganz anders plant, das man dann nicht nur darüber, dass man es jetzt in Mengen dämmt, sondern einfach sozusagen über intelligente Belüftungssysteme, zum Beispiel natürlich, da Mengen auch an Energieeinsparungen an solchen Stellen im Betrieb haben kann oder auch über intelligente Beleuchtungssysteme mit Tageslicht zu arbeiten. Das sind alles sozusagen ja auch architektonische Fragen an der Stelle, die aber natürlich dazu führen können, dass große Mengen an Energie auch eingespart werden können. Und natürlich muss man sich bei so einem Gebäude auch die Gesamtbilanz angucken, wenn man zum Beispiel sieht, dass so ein Gebäude ja eigentlich sozusagen nicht nur die Energie in dem Verbrauch ist, sondern natürlich alle Materialien, die eingesetzt worden sind, sind ja auch Mengen an Energie verbrauchen, dann ist das sozusagen etwas in dem, wo momentan noch nicht so viel zu gemacht wird. Aber was auf jeden Fall in Zukunft ein Thema sein wird, ob man ein Gebäude schafft, was schon im Materialeinsatz eine positive Ökobilanz hat oder auch nicht nur auf der Öko-Bilanz Ebene, sondern auch wenn man sich jetzt gerade die Klimadebatte anguckt, eine positive Klimabilanz hat und vielleicht sogar mehr Kohlenstoff speichert, als das Gebäude. Das sind ja so spannende Fragen, die auf jeden Fall an den Stellen auch mit aufkommen.

00:19:56: Grund-Ludwig: Das heißt, man müsste die Themen CO2-Fußabdruck und Cradle to Cradle thematisch miteinander verknüpfen.

00:20:02: Griefahn: Ganz stark auf jeden Fall. Momentan wird das viel zu einseitig gesehen. Es wird einmal über Recyclingfähigkeiten gesprochen, dann wird auf der anderen Seite irgendwie über Dämmung gesprochen und auf der nächsten Seite darüber, wie man CO2-Einsparungen haben kann. Und das gehört alles aber zusammen. Und Cradle to Cradle sieht all diese Perspektiven damit drin, ist aber kein Zertifizierungssystem in dem Sinne, sondern stellt nur sozusagen Perspektiven dar, Grundannahmen, Lösungsansätze von einer. So stellen wir uns sozusagen vor, wie man bauen könnte, wie man von einer Denkschule, wie man sozusagen an das Ganze rangehen soll in den Gedanken. Aber es geht halt schon darum, dass man sich dann an der Stelle davon inspirieren lassen kann und dann natürlich die ganzen Systeme, mit denen man gelernt hat, danach dann sozusagen auch auswählen kann.

00:20:52: Grund-Ludwig: Ich würde jetzt gerne zum Schluss noch auf das Thema Förderung kommen, es gab ja eine Bundesförderung für effiziente Gebäude jetzt zum ersten Mal Ansätze auch das Thema Nachhaltigkeit mit zu verankern. Was halten Sie denn davon und in welchen Segmenten funktioniert Cradle to Cradle auch ohne zusätzliche staatliche Unterstützung?

00:21:10: Griefahn: Ich glaube, das funktioniert schon ganz gut an ganz vielen Stellen. Man sieht ja auch, dass es schon viele Beispiele gibt, wo Gebäude auch nach Cradle to Cradle gebaut werden, auch ohne staatliche Unterstützung. Ich glaube, es ist mehr denn je an der Zeit, Energieeffizienz und Effizienzmaßnahmen mit anderen Nachhaltigkeitsthemen zusammen zu denken und gerade nicht nur darüber zu sprechen, wie mache ich das Gebäude noch ein bisschen energieeffizienter und dann aber am Ende vielleicht Materialien zu verwenden, die am Ende eigentlich eine sehr schlechte Bilanz über die Nutzungsdauer haben beziehungsweise am Ende Unmengen an Sondermüll darstellen. Das ist unbedingt Zeit, das zusammenzudenken und da sozusagen ganzheitlicher zu denken und dann auch zu sagen, warum mache ich das eigentlich? Ich mache das am Ende doch nicht nur der der Förderung wegen, sondern ich sollte das doch eigentlich machen, um gesund und nachhaltig zu bauen. Und da sind halt oft Förderansätze momentan noch sehr einseitig und deswegen müssen die langfristig natürlich zusammengezogen werden.

00:22:09: Grund-Ludwig: Ist denn dieses Zusammenziehen Thema, was schon wirklich angekommen ist oder geht es da immer noch so wie bei Ihrem Berliner Projekt jetzt darum, Leuchttürme zu generieren?

00:22:18: Griefahn: Ich glaube, dass das schon an vielen Stellen immer mehr ankommt. Wir arbeiten ja als NGO auch sehr politisch und sprechen mit vielen politischen Akteuren, die uns dann ja sozusagen mit uns darüber sprechen, an welchen Stellen das schon möglich ist und in der Umsetzung schon möglich ist. Und da sieht man das ja auf jeden Fall ein Umdenken langsam stattfindet. Das würde ich auf jeden Fall sagen. Dass das noch nicht in der Masse und in der Breite so angekommen ist, wie wir uns das wünschen, ist auch klar, sonst bräuchte es auch unsere Arbeit nicht mehr. Aber dass wir auf jeden Fall ja, schon ein deutliches Stück weitergekommen sind, das denke ich schon.

00:22:54: Grund-Ludwig: Okay, prima, dann danke ich Ihnen für Ihre Zeit.

00:22:57: Griefahn: Vielen Dank Ihnen!

00:22:59: Sprecher: Sie hörten einen Podcast zur Gebäudewende. Unsere Gesprächspartnerin war Nora-Sophie Griefahn. Redaktion: Pia Grund-Ludwig, Sprecher: Oliver Barner. Schnitt: Carolina Bergedieck. Bleiben Sie dran. Weitere Ausgaben unseres Podcasts unter www.geb-info.de, auf Spotify oder Itunes.

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