Wie Nachhaltigkeit und Energieberatung zusammenpassen
Shownotes
Sie möchte „ganz einfach die Welt retten“ antwortet Christine Lemaitre, geschäftsführender Vorstand der Deutschen Gesellschaft für Nachhaltiges Bauen mit einem Augenzwinkern auf die Frage nach der persönlichen Motivation beim Thema Nachhaltigkeit. Nachhaltigkeit sei für sie kein statischer Begriff, er müsse sich immer weiter entwickeln. Beim Thema Effizienz, dem Kernthema der Energieberatung, sei schon viel erreicht. jetzt sei es wichtig, sich mit grauer Energie zu beschäftigen, mit den verbauten Materialien, mit der Suffizienz.
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00:00:16: Sprecher: Gebäudewende – Ein Podcast des Gebäude-Energieberater im Gentner Verlag. Hintergrund und Meinung rund um die Wärmewende im Gebäudebereich. Wir sprechen mit Fachleuten über Quartiers- und Gebäudekonzepte, die Neubauten und Gebäudebestand tauglich machen für den Klimawandel. Und es geht um Ideen, Lösungen, Produkte und Forschungsansätze für klimafreundliches Wohnen. Unser Thema heute: Nachhaltiges Bauen soll den CO2-Fußabdruck im Gebäudebereich reduzieren. Christine Lemaitre ist geschäftsführender Vorstand der Deutschen Gesellschaft für nachhaltiges Bauen und Mitglied des Vorstands des World Green Building Council. Die Bauingenieurin hat an der Universität Stuttgart studiert und promoviert.Im Gespräch mit Pia Grund-Ludwig, Chefredakteurin des Gebäude-Energieberater, hat sich mit ihr darüber unterhalten, wo ein Umdenken beim Bauen notwendig ist und wie das mit Energieberatung zusammenpassen kann.
00:01:10: Pia Grund-Ludwig: Hallo, Frau Lemaitre, freue mich sehr, Sie im Podcast des Gebäude Energieberater begrüßen zu können.
00:01:16: Christine Lemaitre: Hallo, guten Morgen.
00:01:17: Grund-Ludwig: Ich würde gerne mit einer persönlichen Frage einsteigen: Was treibt Sie selbst denn an, um sich mit dem Thema Nachhaltigkeit zu befassen?
00:01:25: Lemaitre: Na ja, ganz übergeordnet natürlich, weil ich gerne die Welt retten möchte. Aber natürlich auch, weil ich Bauen und Gebäude einfach, ja einfach sehr gerne mag. Ich habe ja mal Bauingenieurwesen studiert. Also von dem her bin ich schon viele, viele Jahre in der Baubranche und die Gebäude sind natürlich auch eine tolle Chance, die Umwelt zu gestalten, in der wir uns wohlfühlen, in der wir sicher sind, in der wir gesund sind. Und von dem her passen dann natürlich zwei Themen ganz super zusammen Nachhaltigkeit und Bauen.
00:01:52: Grund-Ludwig: Sie sprechen von der Rettung der Welt. Energieberater, Energieberaterinnen sind ja häufig auch Weltenretter:innen. Wo gibt es denn aus Ihrer Sicht Berührungspunkte zwischen Energieberatung und Nachhaltigkeit und wo laufen diese Themen vielleicht auch konträr?
00:02:07: Lemaitre: Ich glaube also Berührungspunkte sind natürlich in den ganzen Bereichen rund um das Thema Energieeffizienz. Das ist ein Baustein, wenn man über Nachhaltigkeit spricht. Ich glaube, da wo es konträr läuft, das glaube ich nicht. Aber da, wo glaube ich jetzt auf Seiten der Energieberater einfach nochmal ein ganzheitlicher Blick gefordert ist, ist natürlich dann einfach bei der Frage mit wie viel Material, mit wie viel Aufwand erzeuge ich dann nachher welchen Effekt also eben diese ganzheitliche Betrachtung und das Ganze in den Kontext eben auch zu setzen, der Materialität, der CO2 Emissionen, der Materialien und so weiter, das ist glaube ich jetzt aber eher auch ein natürlicher Evolutionsprozess und glaube ich auch etwas, wo sich die Energieberater jetzt natürlich auch selbstverständlich perspektivisch viel intensiver mit beschäftigen müssen und werden.
00:02:49: Grund-Ludwig: Sie würden sagen, da gibt es keinen Widerspruch?
00:02:51: Lemaitre: Nein, da gibt es keinen Widerspruch. Ich glaube, da gibt es nur immer einen Widerspruch, wenn man ihn zum einen krampfhaft versucht zu konstruieren, oder wenn man vielleicht ein bisschen auch die zeitliche Entwicklung irgendwie versucht auszublenden. Und ich denke, was man einfach sagen muss Nachhaltigkeit ist ein Prozess. Nachhaltigkeit ist nichts Statisches, was ich irgendwie einmal in der Liste habe und dann ist es für immer so und ich glaube, das hat eher was mit der Haltung von Menschen zu tun. Ich glaube, inhaltlich gibt es da eigentlich keine Diskrepanzen. Wie gesagt, das ist eine natürliche Evolution, dass eben diese Effizienz-Thematik sich jetzt mittlerweile zu einem Level entwickelt hat, wo wir sagen, die haben ja auch was Positives erreicht, unsere Gebäude sind ja energieeffizienter. Und dass wir jetzt natürlich anfangen, uns mit den Emissionen der Materialien zu beschäftigen, mit Fragen der Suffizienz, wie viel muss ich bauen und und und. Das ist für mich ehrlich gesagt eine logische Konsequenz und einfach eine Evolution.
00:03:42: Grund-Ludwig: Sie haben das Thema der Haltung angesprochen. Einer der Player, bei denen sich die Haltung so bisschen geändert hat in den letzten Jahren sind die Baustoff-Hersteller, die das Thema Nachhaltigkeit ja sehr für sich entdeckt haben. Wie ist denn da Ihre Wahrnehmung? Gibt es da ein wirkliches Umdenken in Richtung Nachhaltigkeit oder ist es eher so eine Art Greenwashing?
00:04:03: Lemaitre: Greenwashing ist natürlich ein hartes Urteil, aber ich würde sagen, das Bild ist natürlich durchwachsen. Also das ist natürlich auch teilweise eine Reaktion. Gerade wenn wir über CO2 Emissionen von Baumaterialien sprechen, ist es natürlich jetzt auch eine Reaktion auf die Wahrnehmung, die jetzt einfach stattgefunden hat in der Bau und Immobilienbranche, dass eben Materialien auch zum großen Teil zu den CO2-Emissionen aus der Baubranche beitragen. Von dem her ist es glaube ich eher wie gesagt eine Reaktion teilweise. Teilweise sind es auch Überzeugungstäter. Aber es ist schon auch ein Teil der Branche, der eigentlich eher dann reagiert, wenn es gesetzlich gefordert ist oder wenn es irgendwie um Verbote geht, wo dann einfach was passiert. Von dem her glaube ich, ist das Bild durchwachsen, was wir da gerade sehen.
00:04:45: Grund-Ludwig: Das heißt eher Reaktion als freiwilliges Umdenken.
00:04:49: Lemaitre: Ja, also weiß ich nicht. Kann man auch mal pauschal tut man, ist ja eh immer eigentlich alles falsch, was man den Bauherren pauschal irgendwie sagt. Aber ich glaube schon, dass so Dinge, die wie jetzt eben gerade dieses Thema CO2-Emissionen auch das Thema zirkuläres Bauen. Also ist es nachher Sondermüll oder was passiert dann nachher noch damit? Das sind natürlich Dinge, die mittlerweile ja so breit in der Wahrnehmung angekommen sind, die so breit auch in Brüssel angekommen sind, dass es ja einfach in jede vernünftige Unternehmens und Zukunftsstrategie gehört, sich jetzt aktiv und auch vielleicht etwas proaktiv mit den Themen auseinanderzusetzen.
00:05:21: Sprecher: Christine Lemaitre, DGNB, beschreibt ein weit auseinandergezogenes Feld beim Marathonlauf der Nachhaltigkeit
00:05:28: Ich sage immer, das sind ja keine neuen wissenschaftlichen Errungenschaften. Es hat sich jetzt halt einfach mittlerweile aber so weit in die Wahrnehmung gebracht, dass es eben jetzt nicht nur Einzelne sind oder wirklich nur der Experten-Bubble, der das weiß, sondern eben jetzt viele da irgendwie viele anfangen, dafür sensibel zu werden. Und daraus entsteht natürlich auch ein Druck, klar, auch für Hersteller.
00:05:46: Grund-Ludwig: Wie nehmen Sie das denn bei den Immobilienunternehmen wahr? Gibt es da eine stärkere Hinwendung zum Thema Nachhaltigkeit oder kann man das so pauschal nicht sagen?
00:05:56: Lemaitre: Ähnlich durchwachsen. Ich vergleiche das immer mit einem Marathon, den laufen ja auch manche in zweieinhalb Stunden relativ locker durch und sind dann schon da und andere sind nach zweieinhalb Stunden bei der ersten Trinkstation und haben noch viele Stunden vor sich. Und so ist doch im Grunde auch, egal, ob jetzt Bauproduktehersteller, Investoren wie auch immer, also so sieht ja auch das Feld aus. Wir haben Ambitionierte, die machen heute schon wahnsinnig viel. Die, die setzen das heute auch um. Und dann gibt es eben noch so das breite Mittelfeld, das sich gerade auch eher versucht zu sondieren, abzuwägen. Und dann gibt es bestimmt auch noch den Teil derer, die einfach sagen: Ich mache erst mal was, wenn es gesetzlich gefordert ist. Das ist glaube ich ähnlich durchwachsen. Das Bild, das zieht sich durch alle quasi Akteursgruppen durch, bis hin auch zu den Architekten und Planern. Also da sieht man quasi ein ähnliches Bild.
00:06:42: Grund-Ludwig: Würden Sie denn bei Immobilienunternehmen sagen, dass es Unterschiede gibt zwischen typischen Vorreitern und typischen Bremsern? Also kann man da so Kategorien festmachen?
00:06:52: Lemaitre: Ich glaube, es ist zu pauschal. Ich glaube, man muss immer ein bisschen gucken, wer in welcher Funktion, in welcher Rolle spricht und das, was man ja eher sieht, und da sind wir als DGNB ja auch immer ein bisschen, glaube ich, für viele irgendwie nicht klar einordnen dar, weil wir eine inhaltsgetriebene Organisation sind und quasi zu den Dingen, wenn wir auch politisch Stellung nehmen, dann schon auch aus der inhaltlichen Sicht Stellung nehmen. Und das, finde ich, ist ja immer ein bisschen das verrückte Bild. Man hat dann eben Verbände, Interessenvertretungen, Lobbying, die eher das Ziel haben, quasi abzubremsen und und die Latte relativ unten zu halten, damit jeder drüber gehen kann. Und dann sieht man aber Unternehmen, die dann eben auch vielleicht in so einer Organisation Mitglied sind, die dann aber selber bei ihren Bauvorhaben viel ambitionierter und und ganz anders damit umgehen. Und ich glaube, da muss man immer ein bisschen unterscheiden, in welcher Rolle spricht jemand, äußert sich jemand und was passiert dann auch in der Realität?
00:07:41: Grund-Ludwig: Jetzt geht es ja bei den Immobilienunternehmen schon bei der energetischen Sanierung häufig um die Frage, wie sich das auf Mieten und Kosten für das Wohnen auswirkt. Ob das neutral ist, Energiekostenneutral möglich ist. Wie sieht es denn beim Thema Nachhaltigkeit aus?
00:08:00: Lemaitre: Ja, da muss man ja leider immer antworten wie ein guter Anwalt. Da sagt man immer, es kommt ganz drauf an, da kann man jetzt nicht pauschal sagen, das wird teuer. Das nervt mich persönlich auch immer sehr. Wenn dann sofort dieser Reflex kommt, dass man jemand sagt: Oh, Nachhaltigkeit, Klimaschutz, oh, das ist teuer. Da denke ich immer, das ist ja verrückt. An einem fiktiven Projekt, am fiktiven Standort, ohne quasi zu wissen, wo das Gebäude steht, ohne zu sagen was bedeutet dann auch Nachhaltigkeit für den, der das sagt und dann irgendwie so eine Aussage zu treffen. Also ich glaube, es kommt da immer ganz drauf an. Wir haben eine Auswertung gemacht von Gebäuden, die wir zertifiziert haben und da sieht man einfach, dass man nichts sieht. Es gibt keinen linearen Zusammenhang zwischen Baukosten und dem Nachhaltigkeits-Ambitions-Level, was man ja erwarten würde, weil das ja überall einfach so behauptet wird. Wir kennen auch ganz viele Bauherren, die ganz klar sagen, nein, wir sind im Budget geblieben. Wir zertifizieren ja auch viel mit kommerziellen Unternehmen, die rechnen natürlich alle ganz genau. Also auch wenn es Überzeugungstäter sind, am Ende muss es für Sie auch wirtschaftlich irgendwie Sinn machen. Und wir stehen jetzt kurz vor der zehntausenden Auszeichnung. Also ich glaube nicht, dass die 10.000 Entscheidungen so getroffen worden wären, wenn das quasi einfach eine Kür ist, sondern das ist einfach für viele mittlerweile wirtschaftlich sinnvoll und es ist auch wirtschaftlich abbildbar. Und ich glaube, da muss man schon auch ein bisschen unterscheiden. Gerade wenn wir über Wohnen reden, dann werden auch oft Immobilien quasi als Beispiele gezeigt, wo man einfach sagt, da hat man aber auch wirklich Jahre oder Jahrzehnte lang nichts gemacht. Zum Thema Instandhaltung, also was mit energetischen Themen und Klimaschutz noch gar nichts zu tun hat. Man hat einfach nichts gemacht und jetzt schaut man sich das an und sagt na klar, wenn ich es jetzt anfasse, dann muss ich irgendwie alles machen. Aber, dass man und da muss man schon auch sagen, da müssen wir auch mal kritisch nachfragen und auch wirklich mal dieses Delta raus rechnen, wo es um Klimaschutz geht und wo es auch um Markt-Standards geht. Um Dinge, die einfach jahrzehntelang verschlafen wurden, nachzuziehen, weil man keine Instandhaltungskosten hatte oder oder. Also das finde ich, da müssen wir uns auch alle gegen wehren, diese Pauschalaussagen, die sind da einfach grundsätzlich falsch und fehl am Platz.
00:09:56: Grund-Ludwig: Das heißt Mehrkosten, die der Nachhaltigkeit und der Energieeffizienz zugerechnet werden, sind eigentlich Kosten, die sowieso angestanden hätten für eine vernünftige Sanierung?
00:10:07: Lemaitre: Oftmals, wenn man sowieso, wenn man das über die Zeit zukunftsorientiert sich mit dem Gebäude beschäftigt hätte, dann hätte man viele Dinge schon viel früher gemacht. Und wir sehen einfach, dass es vielleicht auch ein bisschen was Menschliches, aber natürlich auch ein Bauen. Man ist immer sehr reaktiv unterwegs. Ich finde immer so dieses Beispiel jetzt ist ein riesen Aufregung immer mit dem Thema Wärmedämmverbundsystem. Ich meine, das ist doch keine wissenschaftliche Errungenschaft, dass es Sondermüll ist, das wusste man doch damals schon. Und man hat halt immer dann auch manchmal dieses Prinzip Hoffnung nach dem Motto, na jetzt gucken wir mal in 10, 15, 20 Jahren. Da wird es dann schon irgendwie eine Technologie geben, irgendwas. Und dann macht man halt mal und das ist für mich auch eine eine Definition von Nachhaltigkeit oder eigentlich die die richtige und sinnvolle. Es geht um Zukunftsfähigkeit und Qualität. Und wenn wir über Zukunftsfähigkeit sprechen, dann müssen wir eben ganzheitlicher denken. Und dann müssen wir eben auch bei vielen Dingen sagen na ja, also jetzt mal ganz ehrlich, das hat ja viel auch mit gesundem Menschenverstand zu tun. Und immer dieses Prinzip Hoffnung und das irgendwie sich verlassen auf irgendwelche technologischen Lösungen, das haben wir doch jetzt eigentlich auch gelernt, dass es nicht die Lösung ist.
00:11:10: Grund-Ludwig: Sie würden also sagen, bauen mit WDVS ist per se nicht nachhaltig?
00:11:14: Lemaitre: Es wird ja auch aus anderen Materialien gemacht, aber so wie man damals, in Anführungszeichen, da eingestiegen ist, das natürlich, das wird ja mittlerweile hat ja da die Industrie auch gelernt und da gibt es natürlich auch mit anderen Dämmungen oder so dann Systeme, die dann auch wieder recyclingfähig sind und reproduzierbar, die mineralisch sind. Das ist eben, wie gesagt, das hat sich jetzt ja auch die Branche angepasst. Aber damals so diese schnell und günstig, dass das Erdöl basierte Materialien waren, die dann mit irgendwelchen Sachen behandelt, vielleicht eher dann nachher Sondermüll sind oder nicht, wie gesagt, das ist ja eigentlich keine neue wissenschaftliche Errungenschaft, nur wenn es in der Breite ankommt. Aber die Akteure, die auch so was machen und auch entwickeln, die machen das ja von Berufswegen. Da würde ich ja schon davon ausgehen, dass man sich mit solchen Zukunftsszenarien da auch intensiv auseinandersetzt.
00:11:59: Grund-Ludwig: Gewollt ist ja im Moment sehr viel mehr Tempo, auch bei der Schaffung von Wohnraum. Und die Umsetzung des Neubaus soll 400.000 Wohnungen pro Jahr neu bringen, davon 100.000 Sozialwohnungen. Ist es denn nachhaltig und bezahlbar Ihrer Meinung nach möglich? Oder müssen wissen da auch andere Konzepte her, um zu mehr Wohnraum zu kommen?
00:12:21: Lemaitre: Na ja, also ich glaube der erste Fehler war bestimmt, dass man irgendwie von 400.000 neue Wohnungen bauen spricht. Es geht ja darum, 400.000 Wohnungen zur Verfügung zu stellen. Also es geht ja darum, Wohnraum zur Verfügung zu stellen. Und da muss man natürlich schon auch immer gucken, wo, wo kommt diese Zahl 400.000 her? Gibt es da wirklich auch eine vernünftige Bedarfsermittlung, in welchen Regionen oder Städten das in Deutschland dann wie stattfindet? Und wir haben ja auch viele Bestandsimmobilien und da muss man glaube ich dann schon auch sagen, es geht um die Zurverfügungstellung von Wohnraum und nicht dieses Pauschal. Wir bauen 400.000 neue Wohnungen und das muss man natürlich dann auch vernünftig durchdenken, weil wir bauen jetzt nicht in einer Legislaturperiode 400.000 Wohnungen. Also jeder, der mal ein größeres Büro oder Wohnprojekt geplant hat, der weiß ja, dass da reden wir über längere Laufzeiten als vier Jahre. Von dem her, glaube ich, muss man da schon etwas differenzierter hingucken. Und ich glaube, das Bauministerium ist ja da auch gerade so ein bisschen in der in der Findungsphase, was da realistisch ist und was da vielleicht auch sinnvoll ist und was eben auch nicht.
00:13:20: Grund-Ludwig: Ich höre heraus, dass Sie es für unrealistisch halten?
00:13:22: Lemaitre: Ich halte es für unrealistisch. Ich halte es auch für grob fahrlässig, weil, wie gesagt, wenn wir jetzt hier nur über 400.000 Wohnungen im Neubau sprechen, dann muss man sagen: Klar, wir haben Klimaschutzziele, wir sind im Klimawandel. Das wäre ja eigentlich verrückt, ohne sich quasi mal vernünftig damit auseinanderzusetzen, welche Potenziale haben wir auch im Bestand? Was kann man vielleicht auch über Umnutzung und Aufstockungen und Umbauten quasi da auch leisten, wo wir einfach deutlich geringere CO2-Emissionen allein aus der Konstruktion dann sie haben? Von dem erhoffe ich natürlich schon, dass man sich dann noch mal ganz detailliert und etwas differenziert damit auseinandersetzt. Klar. Aber so wie ich das wahrnehme, passiert das ja auch gerade.
00:14:00: Grund-Ludwig: Es gibt ja mit der neuen Bundesregierung insgesamt eine stärkere Ausrichtung, auch in der Förderung im Gebäudebereich auf das Thema Nachhaltigkeit. Ist es denn Ihrer Meinung nach in der von Berlin gewünschten Geschwindigkeit umsetzbar? Gibt es dafür genügend Leute, die das können?
00:14:17: Lemaitre: Na ja, es ist ja immer das Henne-Ei-Problem. Und man muss ja sagen, eine Förderung ist ja dafür da, dass man Dinge fördert, die halt heute noch nicht Standard sind. So, wäre zumindest mal meine Definition und wenn es jeder schon könnte, dann wäre natürlich wieder die Frage, macht es in der Förderung überhaupt Sinn? Es von dem her ich glaube, das, was jetzt da gerade passiert ist, dass man überhaupt mal den den Impuls setzt und einfach auch ganz klar auf diese Nachhaltigkeitsthemen fokussiert und auch sagt und die sind auch förderfähig, weil sie eben richtig und wichtig sind. Und eine Förderung soll ja dazu beitragen, dass sie in die Breite kommen. Dieser Impuls dann eben auch sich dahingehend weiterzubilden, ist vielleicht auch teilweise ernst zu nehmen, also das, was wir auch am Anfang besprochen haben, also auch diese Haltung zu verstehen. Nur weil wir jetzt einmal einen Lösungsansatz hatten, führen wir den jetzt für immer so weiter. Dafür ist es doch eigentlich genau das Richtige und ich denke, da wird der Markt sich ja auch sehr schnell dann drauf einlassen und nachziehen.
00:15:09: Grund-Ludwig: Das heißt Sie gehen nicht davon aus, dass es im Sanierungsbereich zum ausbremsen der Sanierungsgeschwindigkeit kommt, weil die Fachleute fehlen für die Nachhaltigkeitsprüfung?
00:15:18: Lemaitre: Na ja, also ich glaube das ist natürlich auch etwas, das konnte ja Anfang des Jahres noch niemand vorhersagen, dass wir jetzt einen Krieg in Europa haben werden. Und wenn man einfach sieht, vor welchen Herausforderungen und wie vielfältig diese Herausforderungen sind, dann glaube ich jetzt nicht, dass es dann nur aufgrund von Fachkraftkräfte-Mangel auf Planer Seite dann vielleicht zu Verzögerungen oder zu Umplanungen oder noch mal zu Evaluierungen kommt. Glaube ich nicht. Ich glaube auch, dass wir da mehr Kompetenz haben im Markt, als man so vielleicht aus der Vogelperspektive immer so so annimmt. Das ist wie gesagt, die Themen sind ja nicht neu, das ist ja seit 30 Jahren oder so, werden ja auch solche Projekte umgesetzt. Gibt es Menschen, die das machen, Unis lehren das.
00:16:02: Sprecher: Christine Lemaitre ist sicher, dass Planer und Energieberater die Kompetenz haben, das Thema Nachhaltigkeit anzugehen
00:16:08: Wir sind da glaube ich schon weiter, als man so in der Breite irgendwie aktuell die Wahrnehmung hat. Und alles Neue ist natürlich erst mal irritierend und weckt natürlich auch Fragen, vielleicht auch Sorgen oder Ängste. Und da wäre ich jetzt mal nicht so so pessimistisch. Ich habe da schon auch ein großes Vertrauen in die Planer und in die Branche, dass man da doch auch sehr schnell das als Chance begreift.
00:16:29: Grund-Ludwig: Bedeutet dass, das sich auch für Energieberaterinnen und Energieberater neue Berufsfelder zu eröffnen, neue Tätigkeitsfelder?
00:16:37: Lemaitre: Genau und einfach sich natürlich auch weiterzuentwickeln, weil ich glaube, am Ende müssen wir schon auch sehen, das ist immer die Frage, die das große Ziel ist, doch einfach Klimaschutz. Das große Ziel ist doch, dass wir es endlich mal schaffen, gerade in Deutschland in einem so weit entwickelten Markt mal diesen Rucker hinzukriegen und diese CO2-Minderungs-Ziele zu schaffen, die der Gebäudesektor jetzt zwei Jahre in Folge nicht geschafft hat. Und ich denke da geht es wirklich ganz stark um dieses Thema, auch Zukunftsfähigkeit. Und ich glaube schon, dass es für viele, auch Energieberater, eine Chance ist. Und wir kennen auch von vielen sehr positives Feedback, dieses er jetzt mal gut und positiv finden, dass man einfach wirklich auch mal breiter über die Themen reden kann und soll und darf. Von dem her glaube ich, ist es wirklich, war das doch eigentlich überfällig, dass das diese Themen jetzt mal so in der Breite ankommen.
00:17:25: Grund-Ludwig: Ein Thema, das unter Energieberatern auch viel diskutiert wird, ist der individuelle Sanierungsfahrplan für Effizienz-Maßnahmen. Wäre es denn aus Ihrer Sicht eine sinnvolle Option, diesen Sanierungsfahrplan auch in Richtung Nachhaltigkeit zu erweitern und zu so einer Schritt für Schritt Sanierung auch zum Thema Nachhaltigkeit zu kommen?
00:17:44: Lemaitre: Ja, auf jeden Fall. Wir haben das nennen das ja wir nennen es bei uns dann Klimaschutzfahrplan, weil darum geht es ja. Es geht ja um das Thema Klimaschutz. Und genau. Das sinnvoll zu planen. Und das muss man ja auch immer sagen wir, wir diskutieren die Themen ja immer ganz, ganz groß und dann produzieren wir immer ganz große Zahlen. Und dieses Thema Sanierung, wenn man dann irgendwie mal überschlägt, was würde es kosten, alle Gebäude Jahrgang XY komplett energetisch zu sanieren, dann kommt man natürlich auf große Summen. Die Realität ist doch aber, dass wir auf die Gebäudeebene runter müssen, dass jedes Gebäude individuell ist und dass wir für jedes Gebäude individuell eine Strategie brauchen, wie wir es in Richtung Klimaneutralität führen. Idealerweise wie wir es da hinbekommen. Es gibt bestimmt Gebäude, da wird es schwierig sein, aber das hat ja mit dem Ziel nichts zu tun. Die Frage, wie weit ich dann kommen, das heißt, die Themen Klimaschutz wirklich dann ganzheitlich zu planen, abzuwägen und auch auf eine Zeitachse zu bringen und zu planen. Und das auch zu versehen mit einem, mit einer Erfolgsmessung, nämlich mit dem Thema Monitoring, um überhaupt mal zu sehen: Was hat denn jetzt es gebracht, dass ich die Fenster ausgetauscht habe in zwei, drei Jahren? Was hat denn gebracht? Das, glaube ich, schon, dass wir da viel schneller, viel systematischer vorankommen, dass wir dann auch wegkommen von diesen großen Summen, weil auf einmal bricht man es ja runter, man bricht es auf eine Zeitachse runter, man macht die Dinge planbar und berechenbar. Und ich glaube, da führt gar kein Weg dran vorbei. Und das muss man einfach sagen, Bauen ist etwas Individuelles. Es ist einfach so. Da sind Menschen in den Gebäuden, wir schaffen Wohnraum, wir schaffen Arbeitsraum, wir schaffen Orte fürs Lernen. Und da müssen wir auch mit einer anderen Wertschätzung und auch einer Ganzheitlichkeit mit umgehen. Und von dem her, dass für jedes Gebäude in Deutschland zum Klimaschutzfahrplan existiert, d as muss natürlich das Ziel sein, weil dann wissen wir doch erst mal ganz konkret, wo wir stehen und wir können überhaupt auch Potenziale heben. Das ist ja auch, finde ich, eher ein bisschen beängstigend, was da aus Brüssel kommt mit diesem worst first, also quasi die schlechtesten Gebäude zuerst. Im Grunde müsste es doch sein, bin ich jetzt, vielleicht aber auch zu sehr Ingenieur, dass man sagt, die mit dem größten Potenzial zuerst. Also dafür muss ich aber eine Zustandsermittlung haben und wissen, wo stehe ich denn mit den Gebäuden und für wie viel Geld macht es Sinn und was kann ich dann auch erreichen? Ich muss ja maximalen Hub erzeugen so schnell es geht, um überhaupt den Gebäudebestand nach vorne zu bringen und auch die Gebäude vielleicht auch auszugleichen in dieser Quartiers-Denke, wo es halt einfach wirtschaftlich vielleicht nicht Sinn macht, wo es von der Nutzung einfach eine Herausforderung ist. Und dafür brauchen wir Transparenz und dafür brauchen wir das Individuelle.
00:20:13: Grund-Ludwig: Das heißt, bei dem Ansatz die schlechtesten Gebäude zuerst anzufassen, fürchten sie, dass man Gebäude saniert, bei denen sich das nicht eigentlich gar nicht lohnt.
00:20:22: Lemaitre: Ja, dass wir ganz viel Geld investieren in Gebäude, wo man natürlich einfach viel machen muss, das, was ich vorher meint, wo man einfach viele Jahre keine Instandhaltungskosten hatte und auf einmal kommt alles und dann sind es natürlich Riesenbeträge. Und dass wir da viel Geld dann in Gebäude investieren und mit dem Geld viel mehr Gebäude hätten erreichen können und dann wahrscheinlich noch mal einen positiveren Effekt erfüllt hätten. Aber das bedingt eben, dass ich überhaupt mal dieses Thema Monitoring, Erfassung von Verbräuchen inklusive der Nutzer-Verbräuche ausrollen und auch systematisieren.
00:20:56: Grund-Ludwig: Okay, meine letzte Frage und das funktioniert auch im Quartier?
00:20:58: Lemaitre: Na ja, ich glaube, da muss man ein bisschen aufpassen. Ich finde es immer ganz interessant, die, die nach dem Quartier-Ansatz rufen, das sind aber die gleichen, die einem dann irgendwie eine Stunde später erzählen das Investor-Nutzer-Dilemma, also dass man quasi gar nicht die Daten von seinem Mieter bekommt, um das zu machen. Im Quartier hat man natürlich ganz unterschiedliche Gebäude-Eigentümerstrukturen. Und ich denke, da muss man schon auch sagen, der Quartier-Ansatz, der kann bestimmt auf energetischer Ebene funktionieren. Es wird auch noch ein rechtliches Thema, dass man dann eben auch Strom quasi noch mal abgibt. Aber es geht ja eigentlich immer um diese übergeordnete Betrachtung. Und das, worum es doch eigentlich gehen muss, ist, dass wenn wir eine Transparenz haben, dann bin ich wieder bei dem Thema Monitoring, dass man natürlich dann auf Quartiers- oder sogar auf Stadtebene diese Bilanzierung überhaupt auch mal abschätzen kann und quasi dann in dieser Gemengelage dann eben auch sieht, wo stehen wir denn eigentlich im Ganzen? Ich glaube nicht, dass wir das hinbekommen werden, dass sich Eigentümer innerhalb eines Quartiers alle so synchronisieren und dann ganz viele Dinge miteinander abstimmen. Wie gesagt, bei den großen Gebäuden kriegen die das ja heute nicht mal mehr mit mehreren Mietparteien hin. Aber es geht ja eher um diesen bilanzieren Ansatz, eben zu sagen, wir müssen doch regional gucken, wie wir die CO2-Emissionen vielleicht auch kompensiert bekommen.
00:22:11: Grund-Ludwig: Prima. Danke Ihnen sehr für das Gespräch, Frau Lemaitre.
00:22:14: Lemaitre: Sehr gerne.
00:22:15: Sie hörten einen Podcast zur Gebäudewende. Unsere Gesprächspartnerin war Christine Lemaitre. Redaktion: Pia Grund-Ludwig, Sprecher: Oliver Barner. Schnitt: Carolina Bergedieck. Bleiben Sie dran. Weitere Ausgaben unseres Podcasts unter www.geb-info.de, auf Spotify oder iTunes.
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